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Tod und Teufel. Bundesausgabe.: Ein Krimi aus dem Mittelalter.

Tod und Teufel. Bundesausgabe.: Ein Krimi aus dem Mittelalter.

Titel: Tod und Teufel. Bundesausgabe.: Ein Krimi aus dem Mittelalter. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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Kirche. Nun liegt es aber in der Natur der Sache, daß die Gewaltigen einander ständig an die Gurgel gehen. Der Papst möchte das Reich in einen Kirchenstaat verwandeln und alles der geistlichen Autorität unterwerfen. Der Kaiser reklamiert seinerseits, ebenfalls Gottes Sache zu vertreten, – wie auch anders, da Gott ja die unzweifelhafteste aller Autoritäten ist?! – spricht dem Papst jedoch jede politische und territoriale Entscheidungsgewalt ab. Jeder versucht, den anderen in seinen Kompetenzen zu beschneiden und im Hinblick auf seine eigenen Interessen zu schwächen, und darum sind die Kreuzzüge exempli causa auch keine frommen Werke, sondern ein Krieg zwischen Weltlichkeit und Geistlichkeit vermittels desselben Heeres. Man einigt sich auf einen gemeinsamen Feind, aber am Ende hat gewonnen, zu wessen Gunsten der Sieg ausgefallen ist, Kaiser oder Kirche. Das wahre Dilemma wurde allerdings erst offenbar, als Kaiser und Papst begannen, offen gegeneinander anzutreten. Die Erzbischöfe, Diener zweier Herren, konnten schließlich schlecht gegen sich selber kämpfen. Also mußten sie befürchten, zerrieben zu werden. Ihr versteht?«
    »Konrad von Hochstaden«, warf Richmodis ein, »kommt mir nicht vor wie einer, der zerrieben ist.«
    »Kluges Kind. Siehst du, genau darauf läuft's hinaus. Der Erzbischof mußte mächtiger werden. So sehr, daß er sich im Zweifelsfall für einen seiner Herren entscheiden und den anderen auf diese Weise in Bedrängnis bringen konnte. Mit Loyalität hat das nicht viel zu tun. Die Erzbischöfe scheren sich im Grunde einen gewaltigen Dreck um Kaiser und Papst. Sie betreiben auch keine Seelsorge, sondern Politik, das ist alles. Aber ihre Strategie ging auf. Im Lauf der Jahrhunderte wurden sie mächtig genug, daß sie ihre Parteinahme wie eine Gunst vergeben konnten. Aber daraus ergab sich ein neues Dilemma. Wem dient die Stadt?«
    »Dem Erzbischof?«
    »Einerseits. Er ist ihr Landesherr. Andererseits natürlich dem Kaiser, immerhin ist sie Teil seines Reichs und die Bürger seine Untertanen.«
    »Aber wenn sich Erzbischof und Papst gegen den Kaiser verbünden«, wagte Jacop zu schlußfolgern, »stellt sich damit auch die Stadt gegen den Kaiser, ob sie will oder nicht.«
    »Eben! Ob sie will oder nicht! Um selber entscheiden zu können, mußten die Bürger also ihrerseits die Unabhängigkeit vom Erzbischof betreiben. Er kann nämlich nicht ohne sie und ihr Geld. Wenn der Erzbischof in den Krieg ziehen will, um in wessen Namen auch immer das Land mit Gewalt zu überziehen, braucht er gefüllte Truhen. Also was taten die Erzbischöfe? Versuchten, die Städte auf ihre Seite zu ziehen. Buhlten um ihre Gunst. Vergaben Privilegien und versprachen das Blaue vom Himmel. Im wesentlichen ist es ihnen solcherart gelungen, die Städte ihrer unumschränkten Herrschaft zu unterwerfen. Nur nicht in Köln.«
    »Warum gerade hier nicht?«
    »Warum?« Jaspar hob die Brauen. »Schaut Euch um. Was für eine reiche, eine feiste Stadt! Weinhandel, Textilgewerbe, Goldschmiedekunst, Metallverarbeitung, Waffen! Außenhandel bis an die äußersten Grenzen der bekannten Welt, Hochburg der Pilger. Nirgendwo in der Christenheit gehen heißeste religiöse Inbrunst und kaltes Gewinnstreben eine solch perfekte Allianz ein wie in Köln. Wir sind nicht nur ein Zentrum der Heiligkeit, sondern zudem die stärkste Wirtschaftsmacht im Reich. Kein Wunder, daß die Kölner irgendwann begannen, die Herrschaft der Erzbischöfe in Frage zu stellen. Sie haben ihnen zwar einige Male geholfen, aber nur, wenn die erzbischöflichen Ansinnen den städtischen Interessen entgegenkamen.«
    »Ich verstehe es trotzdem nicht. Der Erzbischof herrscht über Leute, die sich seiner Herrschaft entziehen. Herrscht er nun oder nicht?«
    »Tja.« Jaspar lehnte sich zurück und verschränkte die Arme hinterm Kopf. »Man hat ja hier schon Mühe, Kaiser oder Papst anzuerkennen, wenn man an deren Wahl nicht selber mitgewirkt hat. 1198 gab es einen Thronstreit, den gewann Otto IV. Aber warum? Weil die Kölner Führungsschicht England als Wahlmacher Ottos unterstützte und damit den Ausschlag gab. Und warum wieder das? Um die Kölner Interessen im Englandhandel zu begünstigen. Versteht Ihr, das ist Köln, das sind die Kölner! Sie wollen sich niemandem beugen, sie wollen profitieren, und ihr wesentliches Interesse besteht nun mal darin, diesen verhaßten Erzbischof loszuwerden, der sie schröpft und bevormundet. Nicht als Person, sondern als Institution,

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