Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tod und Teufel. Bundesausgabe.: Ein Krimi aus dem Mittelalter.

Tod und Teufel. Bundesausgabe.: Ein Krimi aus dem Mittelalter.

Titel: Tod und Teufel. Bundesausgabe.: Ein Krimi aus dem Mittelalter. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
Vom Netzwerk:
stöhnten. Und ganz andere gab es noch mit seltsamen Vorlieben, von Gott Verfluchte. Aber auch denen hatte sie sich hingegeben, wenn sie nur zahlten. Jeden erkannte sie und ordnete ihn seinesgleichen zu, kategorisierte ihn wie ein Heilkraut oder eine Tierart. Es war ihre Art, damit fertig zu werden, daß die Männer ihren Körper nahmen, indem sie sich über sie stellte und sie aus einer interessierten Distanz studierte. Etwas von jedem blieb bei ihr, jeder ließ ein winziges Bißchen seines Stolzes in ihrer Kammer, und sie sammelte diesen Stolz wie Trophäen und sperrte ihn in das Verlies am Grunde ihrer Seele.
    Nur Jacop hatte den Weg in ihr Herz gefunden, als er vor drei Monaten nach Köln gekommen war, und seinen Stolz behalten.
    Jetzt war auch Jacop ein für allemal Geschichte. Sie hatte den unmöglichen Vorsatz gefaßt, der Armut zu entfliehen. Dafür mußte sie Jacop opfern, für die vage Möglichkeit, eines Tages erhöht zu werden von einem braven Mann, der ihr ein besseres Leben bieten würde als dieses Dasein in Clemens' stinkender Höhle.
    Aber mit jedem, der kam, schrumpfte die Hoffnung zu einem törichten Traum, und immer schwerer und schmerzlicher wurde es, der heiligen Jungfrau zu vertrauen, daß sie eine Hure in den Stand einer Bürgerin erheben würde. In jeder Sekunde, die sie alleine war, betete Maria zu Maria, und dann brachte Clemens wieder die alten Bekannten her, die Männer, und sie waren wie Obst auf einem Marktstand, hier die Äpfel, grün und rot, reif oder verfault, dort die Quitten, die Pfirsiche, Kirschen und Beeren, jeder auf seine Weise einer Sorte zugehörig, jeder auf seine Weise gleich, jeder feige, jeder eine Enttäuschung.
    Urquhart war keiner von ihnen.
    In ihm atmete eine Wesenheit, die sie erschaudern ließ. Und doch wünschte sie sich, ihm auf ewig verfallen zu dürfen, ihm überall hin zu folgen, sei es in den Wohlstand oder in die Verdammung.
    Einen Moment lang spürte sie den Drang, einfach aus der Tür zu laufen.
    Aber wenn nun er es war, auf den sie gewartet hatte?
    Wölfe sind zärtlich. Wölfe sind grausam.
    Sie drehte sich zu ihm herum und lächelte scheu. Urquhart betrachtete sie. »Willst du gehen?« fragte er. Sie zuckte die Achseln.
    »Wohin?« Urquhart nickte. Sein langes, offenes Haar umgab ihn wie einen Mantel. »Ja«, sagte er kaum hörbar. »Wohin.« Er reckte sich und stand auf. »Und Ihr? Geht Ihr?« Maria wußte nicht, ob sie die Worte mit Bedauern oder Erleichterung hervorgestoßen hatte.
    »Ja.« Er begann, sich anzukleiden.
    »Und kommt Ihr wieder?« fragte sie zaghaft.
    Urquard warf sich den schwarzen Umhang über die Schultern. Etwas hing an der Innenseite, ein Ding wie eine Armbrust, nur kleiner. Dann war es verschwunden, als sich der Stoff vor Urquharts Brust schloß.
    »Vielleicht. Es hängt davon ab, was du mir erzählst.«
    »Erzählst?«
    »Da ist ein Mann. Er heißt Jacop, du kennst ihn.«
    Maria war verblüfft über den plötzlichen Themenwechsel. Was hatte Urquhart mit Jacop zu schaffen? »Ja, ich kenne ihn.«
    »Er braucht Hilfe.«
    »Was?«
    »Sein Geist braucht Hilfe.« Urquhart trat dicht vor Maria und hob ihr Kinn. »Unser gemeinsamer Freund läuft Gefahr, sich um seinen Kopf zu reden. Er behauptet seltsame Dinge über etwas, das er heute abend erlebt haben will.«
    »Ach, du lieber Himmel!« entfuhr es Maria. »Der Dombaumeister!«
    »Was hat er dir erzählt?«
    Warum solltest du es ihm verraten, dachte sie, aber gleichzeitig begann sie schon draufloszureden. »Jacop ist ein verdammter Schwätzer. Pah! Er will gesehen haben, daß jemand den Dombaumeister in die Tiefe stieß. Er will sogar mit ihm gesprochen haben.«
    »Mit dem Teufel?«
    »Ach was!« Maria schüttelte den Kopf. Ihr Ärger über Jacop machte sich Luft, während sie gleichzeitig den überraschenden Wunsch verspürte, ihn bei sich zu haben.
    »Also mit Gerhard?«
    »Ja. Das hat er jedenfalls behauptet.«
    »Und was soll Gerhard gesagt haben?«
    Vorsicht, wisperte es in ihr. Sie mißachtete die Warnung, gefangen im Bernstein seiner Augen. Seltsame Augen. Ein Abgrund lag dahinter, erschreckend, unergründlich.
    »Ich weiß nicht. Keine Ahnung.«
    »Der Klerus wird solche Geschichten nicht gerne hören.«
    »Woher kennt Ihr Jacop?« fragte sie.
    »Später, schöne Maria. Wir wollen doch beide, daß er keine Dummheiten macht. Er hat also den Teufel gesehen? Wie sah der Teufel denn aus?«
    »Ich weiß es nicht. Ich wollte das alles nicht hören!« Sie stieß einen Seufzer aus.

Weitere Kostenlose Bücher