Tod und Teufel. Bundesausgabe.: Ein Krimi aus dem Mittelalter.
nicht, der am hinteren Sraßenende auftauchte, und der Schatten sah ihn nicht. Sie verpaßten sich um die Dauer eines Herzschlags.
Urquhart ging zu dem Hurenhaus, schlug mit der Faust gegen die Eingangstüre und trat ein, ohne eine Aufforderung abzuwarten. Der Rahmen war so niedrig, daß er sich bücken mußte. Er zog die schwarze Kapuze zurück.
Ein krummer, speckiger Kerl briet etwas über einem Feuer und starrte ihn mit gerunzelter Stirn an. Auf einer Bank saßen dösend zwei Frauen. Die eine war recht hübsch, die andere wahrscheinlich preiswert. Es roch nach einer Mischung aus Kohl, verbranntem Fleisch und Undefinierbarem, dessen Natur man besser nicht erforschte.
»Guten Abend«, sagte er leise.
Der Alte am Feuer setzte zu einer Bemerkung an und hielt inne. Er musterte Urquhart ausgiebig. Dann erschien ein serviles Lächeln auf seinen Zügen. Er sprang auf, soweit sein buckeliger Rücken das erlaubte, und schlurfte ihm entgegen. Offenbar hatte er entschieden, daß Urquhart gut fürs Geschäft sein könnte. Die hübschere der beiden Frauen staunte den blonden Riesen an und weckte hastig die andere, die hochschrak, die Augen öffnete und sich bei der Gelegenheit durch heftiges Schielen auswies.
Urquhart schritt langsam bis in die Mitte der Stube und sah sich um. Der Wirt musterte ihn erwartungsvoll.
»Ein Mädchen?« fragte er vorsichtig.
Urquhart schaute den Alten sinnend an. Dann legte er ihm einen Arm um die knotige Schulter, nahm ihn beiseite und flüsterte: »Später. Mag sein, Ihr könnt mir helfen.«
»Mag wohl sein«, sagte der Wirt gedehnt. Er grinste ihn schief von unten an. »Mag auch sein, Ihr habt ein wenig Mitleid mit uns armen Leuten. Ansonsten – ich meine, man wird vergeßlich im Alter –«
Urquhart lächelte. »Ihr werdet meinen Besuch nicht vergessen.« »Dann ist es etwas anderes!« Der Bucklige setzte seine eifrigste Miene auf. »Womit kann ich dienen?«
»Jemand, dessen Name mir entfallen ist, war heute abend hier. Seine Haare sind« – er zwinkerte dem Wirt vertraulich zu – »mindestens so auffällig wie meine. Wenngleich sie erheblich seltener mit einem Kamm in Berührung gekommen sein dürften.«
Die Miene des Wirts hellte sich auf.
»Rot? Feuerrot?«
»Ihr sagt es.«
»Ha, das ist Jacop!«
»Jacop?«
»Jacop der Fuchs. So nennt man ihn.« Der Wirt ließ einen Finger um seinen Kopf zirkulieren. »Ihr wißt schon.« Er lachte, als seien er und Urquhart alte Freunde.
»Natürlich.« Er hatte also einen Jacop getötet. Auch gut. Ein Jacop weniger.
Die beiden Frauen sahen neugierig herüber.
»Schert Euch ums Essen!« fuhr der Alte sie an. »Und klappt die Ohren zu. Soll der Herr denken, er wäre in einem Stall voller Hasen gelandet?«
»Er war also hier?« forschte Urquhart. »Und ob er hier war.«
»Und was hat er so erzählt?« Der Wirt blinzelte verständnislos. »Was soll er denn erzählt haben?«
»Das frage ich Euch.« Urquhart griff in seinen Mantel, förderte eine Münze zutage und drückte sie dem Alten in die Hand, der daraufhin das physiognomisch Unmögliche fertigbrachte und ein noch breiteres Grinsen zur Schau stellte.
»Naja, er spekulierte auf den Braten«, raunte er mit Blick auf das Ding über dem Feuer, das also ein Braten war. »Dachte wohl, ich gebe ihm was ab. Pah!«
»Sonst nichts?«
»Wenn Ihr mich fragt, war er kurz angebunden, der Hund. Hatte so einen anderen armen Schlucker bei sich. Nein, nichts hat er gesagt, er ist gleich rauf zu Maria.«
»Ah, Maria –« Urquhart tat, als denke er nach. »Mir scheint fast, er hat sie das eine oder andere Mal erwähnt.«
»Ja, sie ist mein ganzer Stolz!« Der Wirt versuchte, sich in die Brust zu werfen, was zu einer grotesken Verrenkung führte. Dann zupfte er Urquhart am Ärmel und funkelte ihn verschwörerisch an. »Ich könnte es einrichten, daß sie Euch zu Diensten ist«, flüsterte er. Er wies verächtlich mit dem Daumen über die Schulter. »Sie ist weit ansehnlicher als die da.«
»Später. Er hat sonst mit niemandem gesprochen?«
Nun tat seinerseits der Wirt, als müsse er tief in die Gewölbe seines Erinnerungsvermögens hinabsteigen. Darin schien allerdings hartnäckige Dunkelheit zu herrschen. Urquhart ließ ihn eine weitere Münze sehen und klappte die Hand zu, bevor er danach greifen konnte.
»Nein, nein, gewiß nicht, er hat nichts gesagt«, beeilte sich der Alte zu versichern. »Ich war ja ständig hier unten, ebenso Margarethe, und Wilhilde hier hatte – äh, sie hatte zu
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