Tod und Teufel. Bundesausgabe.: Ein Krimi aus dem Mittelalter.
Armer, dummer Jacop. »Aber ich werde ihn danach fragen, wenn er wiederkommt«, sagte sie leise, mehr zu sich selbst.
Wenn er wiederkommt – Urquhart schwieg.
»Ich hätte nicht so mit ihm umspringen sollen. Jacop war immer gut zu mir. Er ist ständig gut zu irgend jemandem, ohne daß er es überhaupt merkt, wißt Ihr.« Sie schüttelte den Kopf, sah Urquhart an und wußte nicht, ob sie lachen oder weinen sollte. »Er gibt einem alles, was er hat, der Wahnsinnige. Er bringt diesen Tilman mit, ich werfe ihn wieder raus, und er hat nichts Besseres zu tun, als ihm seinen Hut und seinen Mantel zu schenken und seinen Schlafplatz obendrein.«
Es war, als ginge ein Donnerschlag durch Urquharts Körper.
»Was sagt Ihr?« flüsterte er. Seine Gesichtszüge waren wie versteinert.
»Könnt Ihr Euch vorstellen, wie mich das verzehrt, zur Weißglut treibt? Daß ich ihn angeschrien, seinen Stolz verletzt, ihn gedemütigt habe? Aber er muß das doch begreifen, ich bin doch kein Armenhospital, ich kann doch nicht –« Sie biß sich auf die Lippen. »Verzeiht. Ich langweile Euch. Verzeiht!«
»Wann ist Jacop fort?« fragte Urquhart tonlos.
»Fort? Unmittelbar, bevor Ihr kamt. Gut möglich, daß Ihr ihm noch begegnet seid.« »Wohin?« Sie senkte den Blick. »Ich weiß es nicht. Vielleicht in seinen Verschlag im Mauerbogen.«
»Mauerbogen?«
Sie nickte. »Porta eigelis. Habt Ihr niemals vom Status muri gehört?«
Urquharts Blick wanderte ins Nichts.
»Ich muß gehen«, sagte er.
Maria erschrak. Dann geh doch, schrie ein Teil von ihr. Geh so weit weg wie möglich, du bist nicht, was ich suche, du machst mir Angst! Und gleichzeitig fühlte sie ihr Herz schlagen und die Hoffnung, daß er sie mitnehmen möge.
Nein, besser geh –!
»Kommt zurück«, sagte sie stattdessen atemlos. »Kommt, wann immer Ihr wollt. Ich will für Euch da sein, einzig und allein für Euch!« Urquhart lächelte. »Danke«, sagte er sanft. »Das wird nicht nötig sein.«
Jacop
Jacop war es satt, die Kirche anzustarren.
Es mußte über eine Stunde her sein, daß er Maria verlassen hatte. Mittlerweile war sein Zorn verraucht und das Selbstmitleid war ihm langweilig geworden. Am besten, er vergaß den ganzen heutigen Tag, strich ihn einfach aus seinem Gedächtnis und versuchte, sich wieder mit Maria zu vertragen. Wenigstens konnten sie Freunde bleiben.
Die klamme Kälte steckte ihm in allen Gliedern. Er schickte ein Stoßgebet in die Nacht, Clemens möge ihn am Feuer sitzen lassen, schüttelte sich wie ein Hund und begann, zum Berlich zurückzuschlendern. Den kürzesten Weg durch die Vilsgasse mied er. Man erzählte sich neuerdings von einem dort ansässigen Fleischer, der nachts Leute in sein Haus zerrte, erschlug und zu Wurst verarbeitete. Weder gab es in der Vilsgasse einen Fleischer noch lebten schlimmere Diebe dort, als Jacop selber einer war. Aber die Macht der Gerüchte war ungebrochen, und Satan hatte ohnehin in allem seine Finger. Jacop zog den Weg entlang der alten Mauer vor.
Mittlerweile hatten sich die Wolken weitestgehend verzogen. Der Mond tauchte die spitzgiebligen Fachwerkhäuser zu seiner Rechten in Silber. Niemand außer ihm war jetzt noch unterwegs bis auf ein paar Betrunkene, deren Stimmen er aus einer Seitenstraße hörte. Weiter vor ihm fingen zwei Hunde ein wütendes Gebell an. Für die Dauer einiger Schritte begleitete ihn eine Katze auf dem Mauersims und tauchte dann lautlos in die Dunkelheit der jenseitigen Gärten.
Auch die Mäuseteufel schliefen nie.
Dann lag der Berlich vor ihm, still und verschwiegen. Ein Hort schäbiger kleiner Geheimnisse. Erkaltete Seelen vor lustig prasselnden Kaminfeuern. Die kleine Hölle. Am anderen Ende spielte der Wind mit einem schlanken Baum, und Jacop kniff die Augen zusammen.
Der Baum war verschwunden. Überhaupt war da niemals einer gewesen. Er hatte die Silhouette eines Mannes gesehen, eines ungewöhnlich großen Mannes mit wehenden Haaren, der soeben in entgegengesetzter Richtung verschwunden war.
Jacops Schritt verlangsamte sich.
Wie viele große, nachtschwarze Männer gab es in Köln?
Verstimmt über sein memmenhaftes Getue ging er eilig weiter. Lächerlich! Am Ende wurde ihm die Sache mit dem Dom noch zur fixen Idee. Er wollte nicht mehr daran denken. Was hatte er mit Gerhard Morart zu schaffen und irgendwelchen Unwesen, die sich auf Gerüsten herumtrieben? Viel sinnvoller war es beispielsweise, über die Beschaffung von Eßbarem nachzudenken – oder, besser noch, Wein!
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