Tod und Teufel. Bundesausgabe.: Ein Krimi aus dem Mittelalter.
auch mit Euch. Danke, Schwester.« Sie schlug das Kreuz über ihn und ging eiligen Schrittes weiter. Urqu
hart sah ihr nach und überlegte, was geschehen war. Die Heimsuchungen hatten ihn lange verschont. Warum kamen sie jetzt wieder?
Was hatte er da überhaupt gesehen?
Er wußte es nicht mehr. Das Ungeheuer war in den schwarzen Fluten des Vergessens untergetaucht.
Fast von selber fand sein Blick die Gesichter der geschäftig hinund hereilenden Leute, fing sie ein, ertastete sie, ließ sie los, ging über zum nächsten. Schnell, präzise, ohne Emotion.
Deus lo volt!
Als Jacop erwachte, dämmerte es bereits. Er wälzte sich auf dem Strohlager herum und sah in die gelblich glimmenden Augen einer Katze. »Was tust du denn hier?« murmelte er. »Willst du mich in Brand stecken?«
Das passierte immer wieder in den engen, holzgezimmerten Häusern. Die Katzen legten sich in die noch heiße Asche des Kamins, und wenn man sie von ihrem Platz vertrieb, blieben etliche glühende Kohlensplitter in ihrem Fell hängen. Damit liefen sie dann auf den Speicher, wo Reisig, tannene Hobelspäne oder sonstiger leicht brennbarer Kram herumlag, und im nächsten Moment stand alles in Flammen.
Die Unterstellung gefiel der Katze nicht. Sie maunzte Jacop an, drehte ihm das Hinterteil zu und entließ einen reichlichen Strahl Urin. Jacop streckte die Glieder und überlegte, wie lange er wohl geschlafen hatte. Nachdem Jaspar Rodenkirchen ihn mit der Geschichte des Erzengels schier zur Verzweiflung getrieben hatte, war er kraftlos auf den Speicher gekrabbelt, hatte sich auf einen Haufen Reisig fallen lassen und war augenblicklich eingeschlafen. Er hatte also den Tag verschnarcht.
Und, was das Wichtigste war, er lebte noch.
Beim Gedanken an die letzten vierundzwanzig Stunden kroch mit einem Mal wieder klamme Furcht in seine Knochen. Aber sie beherrschte ihn nicht länger. Der Schmerz in seiner Schulter hatte nachgelassen, und Jacop fühlte sich kräftig und ausgeruht. Er verspürte den dringenden Wunsch, etwas zu unternehmen. Vermutlich war Jaspar in der Stube. Jacop fand die Luke, fuhr sich durchs Haar, um einigermaßen ordentlich auszusehen, und kletterte nach unten.
In der Stube saß ein massiger Mann mit gutmütigem Gesicht am Feuer und kaute auf einem Stück Speck herum. Im ersten Moment war Jacop nach Davonlaufen. Aber der da sah nicht aus, als stecke er mit Mördern und Teufeln unter einer Decke. Mißtrauisch trat Jacop näher und neigte grüßend den Kopf.
»Grüße dich auch«, sagte der Mann mit vollen Backen, so daß man seine Worte eben noch verstehen konnte. Jacop ließ sich vorsichtig auf der Bank nieder und betrachtete ihn ausgiebig.
»Ich heiße Jacop«, begann er.
Der andere nickte, stieß ein Grunzen aus und zerrte an seinem Speck herum. »Jacop der Fuchs. So nennt man mich. Vielleicht hat Jaspar von mir gesprochen?«
Ein weiteres Grunzen war die Antwort – unmöglich zu sagen, ob es der Zustimmung oder der Begeisterung über das feine Essen erwuchs. Gesprächig war der Bursche offenbar nicht.
»Also gut«, meinte Jacop und schlug die Beine übereinander. »Ihr seid dran.«
»Rolof.«
»Was?«
»Heiße Rolof. Knecht.«
»Ah. Jaspars Knecht?«
»Mhm.« Rolof holte tief Luft und ließ ein mächtiges Rülpsen erschallen, neben dem die Posaunen von Jericho das reinste Fröschequaken waren.
»Und? Wo ist er? Ich meine, Jaspar?«
Rolof schien begriffen zu haben, daß er sich einem Gespräch nicht länger entziehen konnte, auch wenn es beschwerlich und das Verzehren von Speck dem Wohlbefinden weitaus zuträglicher war.
»Jaspar ist in St. Magdalena«, schmatzte er. »Hält Predigt. Brief an die Hebräer, ja? Hat er jedenfalls gesagt.«
»St. Magdalena? Die kleine Kirche gegenüber St. Severin?«
»Mhm. Ist Dechant in St. Magdalena. Kleine Kirche, ja? Aber schön. Nich so'n Riesenbiest wie Severin, ja?« Ach richtig. »Hör mal, Rolof«, begann Jacop und rückte näher an den Massigen
heran. »Was du da hast, den Speck – ich meine, könntest du dir vorstellen, also nur unter Umständen, sofern du nicht wirklich der Meinung bist, das ganze große Stück zu brauchen, weil man davon nämlich ganz grauenvolle Magenschmerzen bekommt, mein Onkel beispielsweise, der hat eines Tages so ein Riesenstück alleine aufgegessen, gerad' erst vor kurzem, und ist dran gestorben, und seine Leiche hat noch tagelang nach Speck gestunken, so daß die Totengräber ihm hinterhergekotzt haben, und wahrscheinlich ist er darum auch
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