Tod und Teufel. Bundesausgabe.: Ein Krimi aus dem Mittelalter.
dem Lachen noch Sinnvolles tun könnte. Er versuchte es mit Gähnen. Das klappte.
»Spät«, stellte er fest.
»Sehr gut!« höhnte Jaspar. »Wir haben gelernt, den Abend vom frühen Morgen zu unterscheiden, welch eine gewaltige Leistung der Epistemologie. Daß die Erde erzittere aus Scham vor dem glühenden Feuer deines Geistes.«
»Ja«, nickte Rolof unbekümmert. »Gehe dann schlafen.«
Er gähnte noch einmal und kletterte die Stiege nach oben. Sie hörten ihn irgend etwas singen, eine unmelodische Plage, die plötzlich abbrach. Das schon bekannte Schnarchen löste die verirrte Weise ab und ließ keinen Zweifel daran, daß es für jedes scheußliche Geräusch ein noch scheußlicheres gab.
Jaspar stellte zwei Becher auf den Tisch, goß ein und bedeutete Jacop zu trinken. Sie leerten die Becher auf einen Zug, Jacop voller Gier, Jaspar mit der Bedächtigkeit des erfahrenen Trinkers.
»So«, sagte er und knallte den Becher auf den Tisch, goß sich wieder ein, setzte wieder an, stellte wieder ab, goß ein,trank aus, stellte ab und betrachtete Jacop nun mit wesentlich klarerem Blick als zuvor.
»Wie habt Ihr denn geschlafen, Füchschen?«
Jacop fühlte sich seltsam. Das Zeug stieg ihm zu Kopf.
»Wie ein Füchschen halt«, sagte er.
»Na, wunderbar. Mein Haus, ein Fuchsbau. Und wie geht es Eurem Arm?«
»Besser.«
»Besser? Das ist gut.«
Sie schwiegen eine Weile. Jacop überlegte, wie er das Thema auf seine Angelegenheit bringen konnte, obschon er viel lieber alles vergessen hätte.
Das Schweigen begann lästig zu werden.
»Ihr habt über die Hebräer gesprochen?« forschte er mehr aus Höflichkeit.
Jaspar sah ihn überrascht an.
»Woher wißt Ihr – ach so, Rolof. Ja, ich habe ihm gesagt, worüber ich predigen will. Der verdammte Rolof, ich weiß manchmal wahrhaftig nicht, ob er das Gehirn eines Frischlings hat oder die abgefeimte Verstellungsgabe meiner Katze. Dafür ist er ein guter Knecht, wenn er nicht schläft oder frißt. Ja, ich habe über die Hebräer gesprochen, aber es hat einigen sauberen Herrschaften nicht gefallen.«
Er klappte den Mund zu. Sein Zorn war greifbar. Jacop starrte in seinen Becher. Sie konnten so weitermachen, schweigen und trinken, aber der Gedanke mißfiel ihm. Es drängte ihn plötzlich, mehr über Jaspar zu erfahren.
»Warum nicht?« fragte er.
»Warum nicht?« brummte Jaspar und goß sich nach. »Weil sie bis ins Mark verlogen und verstockt sind, die Damen und Herren Christen, und weil dieser unsägliche Hurensohn Alexander den Kreuzzug gepredigt hat, was sie mit Wohlgefallen quittieren, anstatt sich zu empören. Als hätte nicht das sogenannte heilige Köln allen Grund, den Einflüsterungen der römischen Schlange zu mißtrauen, die sich Papst nennt. Gerade die Kölner!«
»Wieso gerade die Kölner?«
Jaspar verdrehte die Augen. »Oh Herr! Sieh deinen Sohn Jacop, er lebt in den Mauern der Colonia Claudia Ära Agrippinensium, jedoch der Grad seiner Erleuchtung gleicht einem niedergebrannten Torffeuer. Jacop, der Ihr weniger wißt als nichts, habt Ihr denn nie von den verlorenen Kindern gehört? Anno domini 1212?«
Jacop schüttelte stumm den Kopf.
»Dachte ich mir! Aber was ein Kreuzzug ist, das wißt Ihr?«
»Ja. Ein gerechter Krieg zur Rückeroberung des heiligen Landes von den Heiden.«
»Donnerwetter! Gut gesprochen, gut gelernt, eilfertig herausgespien aus dem Fundus Eures Unverstands und unter konsequenter Umgehung des Nachdenkens. Sancta simplicitas! Wenn Ihr mich fragt, ist der Kreuzzug eine Verhöhnung der Lehren des Augustinus, in die Welt gesetzt von einem anderen Trottel namens Urban II. – ach Gott, was rede ich zu Euch vom Kreuzzug und vom Augustinus? Ich muß von Sinnen sein.«
»Vielleicht.« Jacop wurde zornig. »Ja, mit Sicherheit. Ihr seid von Sinnen, und ich bin dämlich. Ist doch ein wunderbarer Zusammenschluß, verehrungswürdiger Jaspar Rodenkirchen, Dechant und Physikus und was Ihr noch alles sein mögt. Nichts zu wissen ist unverzeihlich, was?«
»Unverzeihlich ist, nichts im Kopf zu haben.«
»Oh. Richtig, es ist meine Schuld. Schließlich war ich ja mein Leben lang von Weisen umgeben. Hätte ja nur fragen müssen. Alle Welt hat Tag für Tag darauf gewartet, mein Wissen zu erweitern. Ich bin also ein Dummkopf? Unverzeihlich, in der Tat!« Aufgebracht griff er nach dem Krug, füllte sich nach und stürzte den Inhalt hinunter. Jaspar sah ihm einigermaßen verblüfft zu.
»Was redet Ihr denn da? Die Armen schämen sich ihrer
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