Tod und Teufel. Bundesausgabe.: Ein Krimi aus dem Mittelalter.
Reihen der Geschlechter entstammen würden?«
»Würden? So war's ja nun mal.«
»Ja, und Jesus Christus sei Lob und Dank, daß unser erzbischöflicher Landesherr die Mistgabel in diesen – verzeih! – großen Haufen Scheiße getrieben hat. Ein Unding, die damaligen Zustände! Ich gebe zu, die Handwerkszünfte waren keineswegs unschuldig, ganz bestimmt nicht. Wir haben zugelassen, daß die Patrizier uns infiltrierten, haben sie aus purer Gewinnsucht sogar zu Meistern gewählt. Aber sonst? War es etwa unsere Schuld, daß die Geschlechter nicht nur immer reicher, sondern auch immer einflußreicher wurden? Daß sie wie der Mehltau in sämtliche Schlüsselstellungen drangen und gar die Rechtsprechung an sich rissen, so daß unser Herr von Hochstaden sehr zu recht ein Gezeter anhub und sie beschuldigte, Verbrecher zu schützen und seiner Gerichtsbarkeit auf schmähliche Art und Weise zu entziehen?«
Jaspar grinste. Bodo war dermaßen stolz auf sein Amt, daß er nicht müde wurde, die sattsam bekannten Fakten ständig aufs Neue herunterzubeten. Seit er Schöffe war, befleißigte er sich zudem einer amüsant pathetischen Ausdrucksweise, die ihm mangels entsprechender Bildung oft genug zur Karikatur geriet. Kein Wunder, daß die studierten und weitgereisten Patrizier auf Leute vom Schlage Bodos reagierten, als hätte er die Krätze. Ungeachtet dessen, daß satzungsgemäß jedermann Schöffe werden durfte, der frei von körperlichen Fehlern war, als ehelich geboren und unbescholten galt, waren halt früher nur die Edlen auf die Schöffenstühle gelangt. Wäre es nach ihnen gegangen, hätte man einen wie den Bodo Schuif nicht zum Schöffen, sondern zur Sau machen sollen. Ein Bierbrauer als Schöffe war eine Ohrfeige ins Gesicht des Patriziats und um so schlimmer, da Konrad von Hochstaden sie vergeben hatte.
»Und?« fragte Bodo strinrunzelnd.
»Du hast recht wie immer, lieber Bodo.«
»Darum geht's nicht. Ich meine, schmeckt dir mein Zaubertrank? Du legst eine beinahe beleidigende Zurückhaltung an den Tag.«
»Entschuldige!« Jaspar leerte seinen Humpen demonstrativ in einem Zug. Das Bier war süß und zäh am Gaumen, fast eine Mahlzeit.
»So ist es richtig«, freute sich Bodo. Er stand von der Tafel auf und strich seinen Rock glatt. »Na, dann will ich mal los. Das heißt –« Er runzelte die Stirn und sah Jaspar fragend an. »Weswegen bist du überhaupt gekommen?«
»Och, nichts Besonderes. Mich interessiert der tragische Unglücksfall des armen Gerhard Morart.«
Bodo nickte heftig. »Ja, eine schlimme, eine böse Sache, wo doch der Bau so zügig fortschritt. Kann Gott gewollt haben, daß sein Diener die perfekte Kirche nicht zu Ende baut? Ich habe da so meine Theorie.«
»Pah!« Jaspar winkte ab. »Gerhard hätte hundert Jahre alt werden können, ohne sie zu vollenden.«
»Sag das nicht! Es gibt Wunder –«
»Es gibt Architekten. Ich habe nichts gegen Wunder, aber Gerhard war ein Mensch wie du und ich.« Bodo stützte sich mit den Knöcheln auf die Tischplatte und beugte sich verschwörerisch herab.
»Ja, vielleicht muß man es aber auch einfach anders benennen, ein Wunder spricht man sicherlich gemeinhin einem Heiligen zu, du hast schon recht. Sollten wir also besser vom Teufel sprechen?«
»Nicht schon wieder«, stöhnte Jaspar.
»Was heißt hier, nicht schon wieder? Und warum denn nicht, bitteschön? Also, wenn du mich fragst, hat Gerhard sich mit dem Leibhaftigen eingelassen. Meine Frau sagt, in die Tiefe gesprungen ist er!«
Jaspar lehnte sich kopfschüttelnd zurück. »Deine Frau soll Krebskuchen backen. Glaubst du das wirklich?«
»Alles ist möglich«, sagte Bodo schlau und hob den Zeigefinger.
»Wenn alles möglich ist«, meinte Jaspar, »was hältst du dann von einer anderen Theorie – daß der gute Gerhard gar nicht sprang, sondern einer ihn –«
»Ja, was?«
Jaspar biß sich auf die Lippen. Besser, er schwieg darüber.
»Hast du mal mit den Zeugen gesprochen?« fragte er stattdessen.
Bodo wirkte konsterniert. Dann räusperte er sich gewichtig.
»Ja, wir haben sie vernommen.«
»Glaubwürdig?«
»Ich meine schon. Zwei Mönche, die zur Zeit in Köln logieren, anständige Prediger und ehrwürdige Brüder. Benediktiner, wenn ich mich nicht täusche.«
»Ah«, machte Jaspar. »Da werden sie ja wohl auch bei denselben Unterschlupf gefunden haben?«
»Nein, sie wohnen bei den Brüdern von St. Gereon, wenn du's genau wissen willst. Nebenbei, warum willst du es überhaupt wissen?«
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