Tod und Teufel. Bundesausgabe.: Ein Krimi aus dem Mittelalter.
»Ich will noch viel mehr wissen, wenn du gestattest. Mich würden die Namen der beiden interessieren.«
»Ja, warum nicht? Der eine hieß – Augenblick – Justus? Bruder Justus oder Justinius? Weiß nicht mehr genau, der andere ist ein Andreas von Heimerode. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, warum du das nun wieder wissen willst, aber bei dir ist immer alles rätselhaft. Mein Weib sagt, du fragst ein Loch quer durch die Weltgeschichte, und wenn du auf der anderen Seite wieder rauskommst, wirst du feststellen, daß es hüben ist wie drüben.«
»Ich sagte doch, reine Neugier.« Jaspar erhob sich. »Danke für das Bier. Vielleicht kommst du demnächst mal auf eine Pinte Wein vorbei.«
»Gerne. Wenn meine Amtsgeschäfte mir Zeit lassen.«
»Ich hätte einen Gegenvorschlag. Laß dir selber Zeit.«
Bodo runzelte die Stirn und grübelte so offenkundig über den Unterschied zwischen den beiden Formulierungen nach, daß Jaspar ihm zum Abschied wortlos auf die Schulter klopfte und eilig das Haus verließ.
Als er die Pilgerherberge von St. Gereon betrat, herrschte dort reger Betrieb. Das war nichts Besonderes. Köln erfreute sich eines großen Zustroms von Wallfahrern, was angesichts so bedeutender Reliquien wie Kaspars, Balthasars und Melchiors Gebeine – Reinald von Dassel sei gepriesen in Ewigkeit! – oder der Jungfrauenschreine nicht weiter verwunderte. St. Gereon reklamierte für sich selbst die Gebeine eben dieses heiligen Gereon sowie des heiligen Gregorius Maurus und seiner Gefährten, die man bei Reliquiengrabungen im Boden der Kirche gefunden hatte, und die Chorherren und Brüder erglühten darüber in frommem Stolz.
Vor nicht langer Zeit war das alte römische Atrium aus dem vierten Jahrhundert, das dem Anwesen zugrunde lag, zu einer imposanten Kreuzganganlage umgebaut worden, vor einem Jahr die Herberge eröffnet worden. St. Gereon war ein schöner Ort, und Jaspar nahm sich ein wenig Zeit, um den Kreuzgang entlangzuwandern.
Ein Mönch lief ihm entgegen, den Arm voller Schriftrollen. Offenbar einer aus dem Skriptorium.
»Verzeiht«, rief Jaspar.
Der Mönch erschrak, bekreuzigte sich und verlor dabei die Hälfte seiner Schätze. Jaspar ging in die Hocke und machte Anstalten, sie aufzuheben.
»Nein!« Der Mönch stieß ihn weg und raffte die Schriftrollen an sich.
»Ich wollte nur helfen.«
»Gewiß. Es war mein Verschulden, Bruder –?«
»Jaspar Rodenkirchen, Physikus und Dechant zu St. Maria Magdalena.«
»Bruder Jaspar. Diese Pergamente dürfen nicht berührt werden, es sei denn von Befugten.«
»Deren Ihr einer seid, nehme ich an?«
»So ist es. Kann ich Euch behilflich sein?«
»Nun ja, ich suche zwei Brüder, sie waren Zeuge, als Gott unseren Dombaumeister Gerhard zu sich rief. Andreas von Heimerode heißt der eine wohl, der Name des anderen könnte Justus sein –«
»Justinius von Singen!« Der Mönch nickte eifrig. »Wir haben die Ehre, beide Brüder unter unserem unwürdigen Obdach zu bewirten. Sie haben den Heimgang des Meisters gesehen, aber ich würde doch sagen, es war eine verdammte Schande, daß er starb!«
»Bruder!« entsetzte sich Jaspar.
Erschrocken über den ungewollt blasphemischen Gehalt seiner Rede wollte sich der Mönch erneut bekreuzigen, hielt aber rechtzeitig inne. »Gottes Wille geschehe«, stieß er hervor. »Wie im Himmel, so auf Erden«, nickte Jaspar streng. »Und nun sagt mir, ehrwürdiger Bruder, auf daß ich Euch nicht länger in Euren gewißbedeutsamen Angelegenheiten aufhalte, wo finde ich Andreas und Justinius?«
»Ich werde einen Novizen schicken, sie zu holen.«
Der Mönch wandte sich ab und verschwand in einem Durchgang. Binnen kurzem sah Jaspar einen pickelübersäten Knaben in Novizentracht daraus hervorhasten und im jenseitigen Gebäudetrakt verschwinden. Es dauerte wieder eine Weile, und er kehrte, zwei Brüder im Schlepptau, die eindeutig den Bettelmönchen zuzuordnen waren, zurück.
»Dort ist der, der Euch sprechen wollte«, nuschelte der Junge, neigte scheu den Kopf und stolperte rückwärts in den Gang hinein. Nach wenigen Metern drehte er sich rum und rannte atemlos davon.
»Andreas von Heimerode? Justinius von Singen?« vergewisserte sich Jaspar.
Die zwei sahen sich unschlüssig an.
»Justinius bin ich«, erklärte der kleinere und dickere von beiden. »Aber wer seid Ihr?«
Jaspar schlug sich gegen die Stirn. »Verzeiht, daß ich vergaß, mich vorzustellen. Ich bin der Dechant von St. Maria Magdalena und war ein
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