Tod und Teufel. Bundesausgabe.: Ein Krimi aus dem Mittelalter.
guter Freund von Gerhard Morart. Man sagte mir nun, Ihr hättet seinen tragischen Sturz aus nächster Nähe miterlebt –«
Das Mißtrauen verschwand aus den Gesichtern der Mönche. Derlei Fragen waren sie hinreichend gewohnt. Justinius trat näher und breitete die Arme aus.
»Wie ein Vogel war er im Angesicht des Herrn«, deklamierte er. »Während sein Körper sich der Erde annäherte, aus der er gekommen und in die er eingehen wird, stieg sein Geist um so prächtiger hinauf, um zu verschmelzen mit dem Allerhöchsten – wie es auch schon bei den Philippern heißt: Strebt nach dem, was im Himmel ist, wo Christus zur Rechten Gottes sitzt!«
»Das habt Ihr schön gesagt«, nickte Jaspar lächelnd. »Und war es nicht sogar vielmehr bei den Kolossern, wo der Fromme besagte Worte findet, während es bei den Philippern heißt: Unsere Heimat aber ist im Himmel?«
Das verbindliche Lächeln des Dicken fror ein. »Ja, möglich, da doch die Wege des Herrn unergründlich sind und die Heilige Schrift von verantwortungslosen Übersetzern mehr zerstört denn transkribiert wurde, so daß man sich gar nicht mehr auskennt.«
»Es ändert ja auch nichts am Wesen jener Zeilen«, bekräftigte Andreas von Heimerode.
»Nun, es ist mir jedenfalls ein Trost«, sagte Jaspar und trat zu einem
Fenster, das den Blick auf die schönen, großen Obstgärten des Stifts freigab, »Euch bei Gerhard gewußt zu haben, als er starb. Wie man mir berichtete, habt Ihr ihm gar die Beichte abgenommen?«
»Oh, gewiß!«
»Und ihn gesalbt?«
Andreas betrachtete ihn komisch. »Wie sollten wir ihn gesalbt haben, Bruder, da wir das Öl nicht bei uns führten? Hätten wir natürlich gewußt –«
»Was wir aber nicht haben!« fiel Justinius ein.
»Nun, das wundert mich, liebe Brüder«, sagte Jaspar sanft.
»Ach ja?«
»Ja, da Ihr doch sehr wohl wußtet, daß Gerhard Morart an diesem Abend und zu dieser Stunde sterben würde, wie es Euch sein Mörder angekündigt hatte.«
Es war, als hätten die beiden Mönche Sodoms Untergang erblickt.
»Und weiter«, fuhr Jaspar ungerührt fort, »wußtet Ihr auch vorher schon, was Ihr hinterher erzählen würdet, war es nicht so?« »Ihr seid – Ihr habt –« keuchte Justinius. »Bruder, Ihr müßt Euch irren«, fiel ihm Andreas hastig ins Wort. »Ge
wiß habt Ihr einen guten Grund, derlei Anschuldigungen, ja, ich muß einen solchen Terminus wählen, abscheuliche Anschuldigungen gegen uns vorzu bringen, indes vertut Ihr Euch in den Personen. Wir sind nur zwei demüti ge Wanderer und Diener im Angesicht des Herrn, und Ihr kein Inquisitor.«
»Ja ja, ich weiß, und Ihr eifert selbstverständlich dem Ideal des heiligen Benedikt nach.«
»Ganz und gar!«
»Ganz und gar«, sagte Justinius und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Jaspar lächelte und begann, auf und ab zu gehen. »Wir alle huldigen dem benediktinischen Verständnis von der Armut Christi und seiner Jünger«, sagte er, »und tun wohl daran. Mir scheint allerdings bisweilen, daß der damit verbundene Hunger – und ich meine den Hunger auf alles; auf das Leben, auf die Huren, auf den Schweinebraten – der Frömmigkeit ein gewisses Knurren entlockt, Ihr versteht. Ich meine, Bettelmönch zu sein impliziert ja durchaus, das Erbettelte anzunehmen –«
»Aber nicht um des eigenen Besitzes willen!« insistierte Justinius.
»Natürlich nicht. Die Hand der Armut hat Euch berührt, und Euer ganzes Trachten dient dem Wohle der Christenheit und der Lobpreisung des Herrn. Kann es trotzdem sein, daß da einer kam und Euch eine größere Summe Geldes geboten hat für einen, sagen wir mal, speziellen Dienst?«
»Spezielle Dienste können mannigfacher Natur sein«, lenkte Justinius vorsichtig ein.
»So?« Jaspar beendete seinen Gang und baute sich dicht vor den beiden auf. »Dann laßt mich konkreter werden. Ich rede von der Summe, die man Euch gezahlt hat, um Meister Gerhards Ermordung öffentlich als Unfall hinzustellen.«
»Das ist eine Frechheit!« brüllte Andreas.
»Eine Gotteslästerung!« schrie Justinius.
»Ich habe Gott nicht gelästert«, sagte Jaspar ruhig.
»Ihr lästert ihn, indem Ihr seine Diener lästert!«
»Ist es nicht eher umgekehrt? Lästern ihn nicht seine Diener, indem sie die Unwahrheit sagen?« Justinius öffnete den Mund, pumpte sich voller Luft und schluckte schwer.
»Ich sehe keine Veranlassung, diesen Disput fortzusetzen«, preßte er hervor. »Nie zuvor bin ich auf solche Weise gekränkt, ach, was sage ich, verletzt,
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