Tod und Teufel. Bundesausgabe.: Ein Krimi aus dem Mittelalter.
was ja wohl die Frage rechtfertigt, wessen Tempel hier eigentlich gebaut wird – der des Herrn oder der des Erzbischofs. Und daß sie im Domkapitel solange um den Bau herumgeredet haben, bis Goswin von Randerath und Ulrich vom Steine die Bemerkung anbrachten, man könne damit dem Prioreninstitut eins auswischen, worüber man herzhaft lachte.«
»Das hast du dir ausgedacht!« schnaubte Goddert.
»Das hat mir der Scholaster Franco erzählt, und der muß es wissen, er war ja dabei. Überleg doch mal. Noch im letzten Jahrhundert haben die Prioren den Bischof gewählt, jetzt ist es das Domkapitel, dessen Chorgestühl sich so illustrer Persönlichkeiten wie Erzbischof, Papst und Kaiser erfreut. Nach Meinung gerade der Bettelorden hat das Kapitel seine kirchliche Aufgabe jedoch aufs schmählichste vernachlässigt, da man nicht mal mehr zusammen lebt, wie es sich für eine fromme Gemeinschaft ziemt –«
»Wie sollen denn Papst und Kaiser auch zusammen leben, das ist doch Zinnober!«
»Das wissen die Gegner des Domkapitels genausogut wie du. Trotzdem haben die Prioren versucht, Unterstützung bei den mächtigen Ordensführern einzuholen, um den Domherren wieder die Macht zu entreißen. Der Papst ist wankelmütig, und dem Kaiser ist es gleich, wer den Bischof wählt. Wenn sie morgen Mitglieder des Prioreninstituts sind, auch gut. In dieser Situation wurde der Dombau beschlossen, lieber Goddert, weil Konrad sich ein Denkmal setzen will und die Macht des Domkapitels auf den Fundamenten einer solchen Kathedrale kaum noch zu erschüttern ist. Der Dom ist Politik.«
Goddert schlug mit der flachen Hand auf den Tisch.
»Alles ziehst du in den Dreck!« rief er böse.
»Schon gut.« Jaspar hob beschwichtigend die Hände. »Der Herr erhalte dir deinen Glauben. Es wird dich freuen, daß ich trotzdem zu den gleichen Schlüssen gelange wie du. Das Domkapitel hat nichts mit Gerhards Tod zu tun, sie hätten sich ja gar keinen Besseren wünschen können. Und von diesem Arnold weiß man auch nichts Schlechtes. Wahrscheinlich wird er Gerhards Nachfolger, weil er einfach ein sehr fähiger junger Steinmetz ist.« Er seufzte. »Womit wir wieder bei der Frage wären, was Gerhard meinte, als er sagte: Es ist falsch.«
»Vielleicht meinte er die Zukunft«, warf Jacop ein.
»Zukunft?« echote Goddert.
»Ja. Etwas, das noch geschehen wird. Etwas von solcher Wichtigkeit, daß er seine letzten Worte darauf verwandte. Vielleicht hatte er Kenntnis von geheimen Dingen, die seine Seele belastet haben. So sehr, daß zu erwarten stand, er würde sich vor aller Welt erklären und öffentlich herausposaunen, was er für falsch hielt.«
»Und damit sein düsteres Geheimnis offenbaren, das zugleich ein Geheimnis anderer ist. Ausgezeichnet, Fuchs!« Jaspar geriet in höchste Erregung. »Gerhard Morart hat etwas gewußt, das er nicht wissen durfte. Man hat ihn umgebracht, damit er eben dieses Geheimnis – oder besser, das seines Mörders — mit ins Grab nimmt. Er war zu einer Gefahr geworden.«
Richmodis schluckte und sah Jaspar an. »Dann geht es also gar nicht um das Verbrechen am Dombaumeister?« »Nein. Es geht wahrscheinlich um ein anderes. Eines, das noch geschehen wird.«
»Der Herr steh uns bei«, flüsterte Goddert. »Ich wage nicht, mir auszumalen, was dahinterstecken mag. Wer den Tod des Dombaumeisters in Kauf nimmt, hat mehr im Sinn als kleine Gaunereien.«
»Noch einen Mord, ja?« sagte Rolof gleichmütig.
Alle Köpfe fuhren zu ihm herum.
Aber Rolof war schon wieder mit einer Birne beschäftigt.
»Das kann nicht mein Rolof sein«, spottete Jaspar. »Jemand muß durch ihn gesprochen haben.« »Aber er könnte die Wahrheit sagen!« rief Richmodis. »Du mußt zu deinem Schöffenfreund gehen«, drängte Goddert. »Du mußt ihm alles erzählen!«
»Nein«, beschied Jaspar. »Noch nicht.«
»Es hat keinen Sinn, der Sache selber nachzuforschen. Das ist zu gefährlich.«
»Dann lauf doch nach Hause, alter Feigling. Du warst es doch, der Jacop unbedingt helfen wollte. Wir können noch nicht zu den Schöffen gehen, erst müssen wir die angeblichen Zeugen auf unsere Seite bringen. Dabei fällt mir ein, hast du vierzig Goldmark übrig?«
»Jaspar«, säuselte Goddert. »Ich habe deren gar viertausend. Ich bin der reichste Mann in ganz Köln.«
»Schon gut.«
»Onkel Jaspar, ich halte das für keine schlechte Idee«, sagte Richmodis. »Geben wir dem Schöffenkollegium Nachricht, es ist der einzige Weg, Jacop zu schützen, und wir können
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