Tod und Teufel. Bundesausgabe.: Ein Krimi aus dem Mittelalter.
stiehlt – du verstehst, ich war in äußerster Besorgnis –«
»Ach so. Ich dachte schon, du hättest das Wunder von Kanaa wiederholt. Kann es sein, daß das mein Weinkeller ist und ergo auch mein Wein?«
»Deiner?« wunderte sich Goddert und warf einen verblüfften Blick in den Krug. »Wie ist das aber möglich, lieber Jaspar, wo doch der heilige Benedikt dem Mönch die Vita, apostolica auferlegt hat, die ja wohl besagt, daß gar nichts dir gehört, nicht mal die Kutte an deinem Körper.«
»Du bist unverschämt! Du säufst meinen Wein und wagst es, mir den heiligen Benedikt an den Kopf zu werfen!«
»Na, und du? Mißgönnst einem alten Freund den letzten Tropfen!«
»Was?« schrie Jaspar entsetzt. »So weit bist du schon?«
»Nein, aber stell dir vor, ich stürbe, dann wäre dieser Krug Wein vielleicht meine letzte Freude. Willst du mir die verwehren?« »Du stirbst nicht. Du bist viel zu sehr damit beschäftigt, mich zu ruinieren.«
»Was? Stell dir vor, mich trifft der Schlag, just in diesem Augenblick.«
»Undenkbar!«
»Doch. Was spricht dagegen?«
»Stimmt, nicht das Geringste.«
»Daß ein Donnerwetter auf dich niederkomme, herzloser Mistkerl! Stell dir also vor, man käme, sagen wir mal, um mich – ungerechtfertigterweise natürlich – eines Verbrechens anzuklagen und vor den Toren zu verbrennen, müßtest du da nicht vor Gram vergehen?«
»Du brennst nicht. Du bestehst nur aus Wein und Fett. Es würde stinken, aber nicht brennen.«
»Wie kannst du nur so unbarmherzig sein?«
»Ich bin überhaupt nicht unbarmherzig!«
»Doch, geizig bist du! Zierst dich wegen der paar Finten! Bah, wie abscheulich, wie ich mich für dich schäme, kaum, daß ich deinen blöden Wein noch runterkriege, alter Knicker! Nimm dir ein Beispiel am Priester Ensfried, wie er am Festtag des heiligen Gereon zur Kirche gehen wollte und ein Armer um Almosen bat. Und weil er nun nichts bei sich trug, der fromme Mann, trat er in einen Winkel der Kirche unserer seligen Gottesmutter Maria, du weißt, wo am Palmsonntag die Bischöfe dem Volk gewöhnlich den Ablaß erteilen, zog seine Hose aus und gab sie her um der Barmherzigkeit Christi willen. Und selbst dieses gute Werk noch wollte er verheimlichen, so daß er hernach am Kamin den Pelz nicht ablegen konnte und der Stiftsherr Friedrich –« »Papperlapapp, dein Priester Ensfried ist eine Erfindung vom alten Heisterbacher. Verlangst du am Ende, ich soll dir meine Hose geben?«
»Der Herr bewahre uns vor deiner hüllenlosen Ungestalt!«
»Ich will dir mal was sagen, Goddert, du kannst meinethalben trinken, bis du platzt, aber ich will vorher gefragt werden, das bißchen Respekt habe ich mir verdient, bevor du dich da runterwälzt und Finten zapfst.«
»Also gut, also gut! Ich frage dich also hiermit. Trinken wir noch einen?«
»Trinken wir noch einen!« Jaspar schnalzte, wieder in bester Laune, mit der Zunge. »Und während Goddert einen zweiten Becher da herholt, wo er seinen gefunden hat, könnte ich mich vielleicht herablassen, über die Erfolge des Vormittags zu sprechen.«
»Warum nur zwei Becher?« fragte Richmodis mit deutlichem Unterton.
»Weil das Trinken vor der Sext nur langgeübten Säufern gestattet ist und Jacop einen klaren Kopf braucht.«
»Habt Ihr die Zeugen aufgespürt?« fragte Jacop erregt. Zugleich fühlte er wieder die Angst in sich aufsteigen, die er in den letzten Stunden einigermaßen niedergekämpft hatte.
»Hm«, überlegte Jaspar. »Sollte ich Euch das wirklich sagen?«
»Ich bitte Euch!«
»Manus manum lavat. Hättet Ihr das Holz gehackt –«
»Ich hacke Euch einen ganzen Wald, aber spannt mich nicht auf die Folter!« Ich muß wissen, ob ich verrückt bin, dachte Jacop. Sein Erlebnis schien so weit zurückzuliegen, so unwirklich, daß er plötzlich zu zweifeln begann, ob er den Schatten mit der teuflisch langen Mähne tatsächlich gesehen hatte.
Aber Maria und Tilman waren tot. Oder hatte er auch das geträumt? Jaspar wartete seelenruhig, bis Goddert mit dem Becher kam, genehmigte sich einen langen Schluck und leckte sich die Lippen.
»Ah, ich wußte, mir fehlt was! Gut, Jacop, Ihr hattet recht. Ich habe diese obskuren Zeugen nicht nur aufgespürt, sondern sogar mit ihnen gesprochen.«
»Und?«
»Zwei Bettelmönche, Justinius von Singen und Andreas von Heimerode. Der eine tut, als könne er kein Wässerchen trüben. Sein Bruder im Geiste ist da schon empfänglicher für die kleinen Versuchungen des Lebens, wenn sie in Form
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