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Tod und Töttchen - Westfalen-Krimi

Tod und Töttchen - Westfalen-Krimi

Titel: Tod und Töttchen - Westfalen-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: emons Verlag
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Kampftrinker zu
sein, der auf dem Rückweg von der Toilette einer Kellnerin an die Wäsche
gegangen war, aber dann sah ich eine ältere Frau mit besorgter Miene durch den
Saal huschen. Sie beugte sich zu Hillgruber und flüsterte ihm etwas ins Ohr.
Der Generalsekretär erbleichte und seine Hängebacken sackten ins Bodenlose. Er
erhob sich mühsam, wie einer, der gerade einen üblen Schlag einstecken musste.
Mit sichtlicher Anstrengung schleppte er sich zum Mikrofon.
    Die Musik wurde ausgeschaltet. Ein trockenes Räuspern Hillgrubers
direkt in das Mikro hinein ließ augenblicklich Ruhe einkehren. »Liebe
Parteifreunde«, verkündete der Generalsekretär mit belegter Stimme, »ich
bedauere, euch eine traurige Mitteilung machen zu müssen: Gerade eben erfahre
ich, dass unser geschätzter Vorsitzender, die Symbolfigur für Aufbruch und
Erneuerung in unserer Partei, ums Leben gekommen ist.«

9
    Eine Schweigeminute folgte, unterbrochen nur von einem
einsamen Rülpser, der in der Stille brillant zur Geltung kam. Feiern im
fortgeschrittenen Stadium waren eben kein guter Ort für Schweigeminuten.
    Anschließend stimmten die meisten Anwesenden spontan ein Lied an,
das mich in seiner schrägen Intonation an »Mir losse d’r Dom in Kölle«
erinnerte, in Wirklichkeit aber wohl so etwas wie eine Parteihymne war.
    Das Lied war noch nicht verklungen, da verlangte Hillgruber, an den
Ort des tragischen Geschehens gebracht zu werden. Die Taxiunternehmen baten
allerdings um Geduld, da sie sich aufgrund der vielen Weihnachtsfeiern vor
Aufträgen nicht retten konnten. Und hier im Haus fand sich so schnell keiner,
der noch nüchtern war.
    Ich ergriff meine Chance und bot Hillgruber an, ihn zu chauffieren.
    »Wer sind Sie denn?«, verlangte er misstrauisch zu wissen.
    »Frings«, sagte ich, »von der Firma Schubert. Wir haben diese Feier
für Sie ausgerichtet.«
    »Also los«, sagte er. »Aber Sie warten solange im Auto.«
    Was er als Parteizentrale bezeichnete, war ein Penthouse auf der
Friedrich-Ebert-Straße, das auf einem wenig sehenswerten
Siebziger-Jahre-Gebäude thronte. Der Generalsekretär, der auf der Rückbank
Platz genommen und während der Fahrt kein Wort mit mir gewechselt hatte,
schärfte mir, sobald ich eingeparkt hatte, noch einmal ein zu warten, dann
stieg er aus und verschwand in dem Haus, vor dem bereits zwei Streifenwagen mit
Blaulicht parkten. Ein Polizeibeamter war damit beschäftigt, Schaulustige
abzuwimmeln, was mir die Möglichkeit verschaffte, unbemerkt ins Treppenhaus zu
gelangen. Auf meinem raschen Weg nach oben passierte ich zwei Arztpraxen, ein
Gewerkschaftsbüro und eine Firma für Webdesign. Der Aufzug ins Penthouse wurde
von zwei Schönlingen bewacht, die zu gepflegt aussahen, um zur Kripo zu
gehören.
    »Hier geht’s nicht weiter«, sagte der eine und trat mir in den Weg.
    »Hauptkommissar Düsseldorf«, stellte ich mich vor und hielt ihm
meinen Bibliotheksausweis unter die Nase. »Kurt Düsseldorf, Kripo Münster. Ich
leite die Ermittlung.« Damit schob ich ihn zur Seite und drückte auf den
Aufwärts-Knopf.
    »Welche Ermittlung denn?«, protestierte er viel zu spät, von meinem
unverschämten Vorgehen überrumpelt. »He, Moment mal …!«
    Aber der Aufzug ließ sich nicht mehr stoppen. Ich fuhr hinauf und
betrat eine Luxusbehausung mit viel Glas und einem Rundblick über die Domstadt.
Eine Art Empfangszimmer, dessen beherrschendes Mobiliar eine riesige, halbrund
verlaufende Hausbar war, wimmelte von Menschen. Kripoleute sicherten Spuren und
Parteischergen taten alles, um zu verhindern, dass sich ungebetene Schaulustige
einschlichen. So wie ich. Es konnte nicht lange dauern, bis sie mich
entdeckten, also nutzte ich jede Sekunde, um meine Neugier zu befriedigen.
    Vom breiten Fenster aus sah man über ein schwarzes Häusermeer mit
hier und da erleuchteter Weihnachtsbepflanzung. Dort drängelten sich die
meisten, aber nicht wegen der Aussicht. Spätestens als ich mich ins Getümmel
mischte und einen Blick riskierte, war mir klar, weshalb die Parteisoldaten so
nervös miteinander tuschelten. Der Tote, der zusammengekrümmt auf dem Boden
lag, ähnelte kaum dem strahlenden Parteivorsitzenden und Spitzenkandidaten auf
dem Foto, das Hermine Tiedemanns weißen Flügel zierte. Noteboom war nackt bis
auf ein gelbes T-Shirt, auf dem, obwohl es verrutscht war und seinen üppigen
Bauch freigab, » MSP – Wir sind die Stadt!« zu
lesen war, und einen roten Slip mit grünen Weihnachtsmännern und Rentieren
darauf.

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