Tod und Töttchen - Westfalen-Krimi
Agentennummer ohne Weiteres abkaufte. Seine einzige Gegenwehr
bestand in verstärktem Schwitzen, was mir beinahe den Atem raubte. Er händigte
mir die Karten aus.
Frohe Weihnachten und einen guten Rutsch für
meinen knuddeligen Schmuse-Dieter von Jogibär, lautete der Text. PS :
Dein Stollen ist wie immer der beste.
Das verwirrte mich ein wenig. »Was soll das denn bedeuten?«,
sinnierte ich. »Wer ist Schmuse-Dieter? Und Jogibär – sind Sie damit gemeint?«
Blitzschnell befreite er sich, packte mich am Kragen und rammte mich
gegen den Tapeziertisch. In die Postkarten vertieft, war ich von seinem Angriff
völlig überrumpelt worden. »So, und jetzt mach dein Testament, du halbe
Portion!«, zischte er.
»Ich weiß nicht so recht«, wandte ich, einer plötzlichen Eingebung
folgend, ein, »ob das deinem Chef gefallen würde.«
Mönninghoff zögerte wieder, lockerte aber seinen Griff nicht.
»Für den arbeite ich nämlich. Als Privatdetektiv«, fügte ich hinzu.
»Der Weihnachtsmannjob ist nur Tarnung.«
Jogibär starrte mich schräg an. Er vermutete, dass ich ihn
verscheißern wollte, aber sosehr er sich auch sein Hirn zermarterte, er kam
nicht drauf, wie. »Tarnung? Wofür?«
»Dafür, dass ich herausfinden kann, wer ihm hässliche Postkarten
schreibt. Nichts gegen deine, die sind wirklich brillant«, setzte ich schnell
hinzu, als sein Gesicht sich wieder verdüsterte.
»Der Chef hat aber mir gesagt, ich soll mich um die Sache kümmern«,
sagte er, ließ jedoch locker, und ich konnte mich befreien.
»Dann sind wir ja praktisch Kollegen und sollten zusammenarbeiten,
meinst du nicht?«
Er traute mir nicht über den Weg. »Wie soll das gehen?«
»Indem du mir sagst, was ich wissen will. Zum Beispiel: Was läuft
zwischen Schubert und Noteboom?«
»Nichts.«
»Nichts? Er hat auch Post vom Geist der Weihnacht bekommen.«
»Frag ihn doch selbst. Noteboom ist unser zweiter Einsatz heute. Die
Weihnachtsfeier der MSP .«
»Also gut. Du schleust mich da ein.«
»Warum sollte ich das tun?«
»Ganz einfach: weil ich dann niemandem etwas von Schmuse-Dieter
verraten werde.«
8
Das zweite Event dieses Abends fand gar nicht weit
entfernt und trotzdem in einer anderen Welt statt. »Restaurant Hotel Schloss
Wilkinghege« war ein Hort für all diejenigen, die gern unter sich waren, weil
sie nicht unter anderen sein konnten ohne das quälende Gefühl, beneidet zu
werden. Eine exquisite Adresse für besondere Festlichkeiten besonderer
Menschen.
Leider konnte diese Stadt nicht annähernd genug Jetset aufbieten, um
dem Haus schwarze Zahlen zu bescheren, deshalb baute man darauf, dass einige
hundert der oberen Zehntausend hin und wieder auf ihrer Durchreise von München
nach Hamburg hier haltmachten. In diesem Sinne konnte man »Wilkinghege«
durchaus als eine aufgedonnerte Version des nahe gelegenen Rasthofs Münsterland
bezeichnen.
Der große Rittersaal war für Weihnachtsgesellschaften wie
geschaffen. Zentnerschwere Kronleuchter schienen wider alle Gesetze der
Schwerkraft unter der mit kostbarem Stuck verzierten Decke zu schweben, das
Parkett glänzte, dass man sich darin spiegeln konnte, und die Wände, die sonst
in überladenem Purpurrot und Gold leuchten, präsentierten sich heute in Gelb
und Blau, den Farben der »Mittelstandspartei«, die von vielen auch
»Münsterlandpartei« genannt wurde.
Mönninghoff war sehr daran gelegen, dass seine freundschaftliche
Verbindung zu einem gewissen Schmuse-Dieter nicht bekannt wurde. Auf eine Art,
die man nur als scheißfreundlich bezeichnen konnte, scharwenzelte er um mich
herum, drückte mir eine Digitalkamera in die Hand und ernannte mich zum
offiziellen Fotografen von »World of Christmas«, der die Highlights der MSP -Feier abzulichten und später im Internet zum
Download bereitzustellen hatte. Ich tauschte das Weihnachtsmann-Kostüm gegen
legere Abendkleidung mit blaugelber Krawatte, mischte mich unter die Feiernden
und naschte vom Fingerfood.
Um zwanzig Uhr dreißig erfolgte der Auftakt zu einem ausgiebigen,
siebengängigen Menü. Zwei lange Stunden labte sich die ehrenwerte Gesellschaft
an erlesenen Köstlichkeiten, der Ehrenplatz des Parteivorsitzenden am Kopf des
Tisches aber blieb leer. Ich knipste jede Menge Fotos. Nach dem Dessert war das
Programm des Abends abgespielt, bis auf Notebooms Auftritt, der immer noch
ausstand. Die funkelnde Weihnachtsfeier der »Münsterlandpartei« driftete indes
mehr und mehr in jene feuchtfröhliche Endphase einer gewöhnlichen
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