Tod von Sweet Mister
Motorroller lehnte an der seitlichen Hauswand neben der Zufahrt, die Art von Roller, auf der man steht und die eine Hupe hat. Allerdings piept sie mehr als dass sie hupt. Dahinter, neben der Garage, schaute die Spitze eines weißen Boots unter einer grünen Plane hervor, und im Schatten unter dem Boot saß noch eine Katze. Die Barbecue-Grube roch nach verbrannter Fleischbrühe und Sauce von den Familienfeiern, ein schöner Aschegeruch.
Die Seitentür war nicht verschlossen. Die Scharniere gaben ein langes, gähnendes Krächzen von sich.
»Grit?« rief ich, als würde ich darauf hoffen, dass mich niemand hörte. »Grit zu verkaufen.«
Die Tür gähnte und entließ mich ins Innere. Die Küche war blitzblank, alles war heil und sauberer als meine Ohren. Krüge und Behälter und eine Brotdose standen auf der Theke. Hoch oben an der Wand machte eine Kuckucksuhr tick-tack, tick-tack. Durch eine offene Tür kam ich in ein weiteres Zimmer, in dem ein riesiger Holztisch stand. Das Holz glänzte vom Lack, drum herum waren Stühle angeordnet, die zum glänzenden Holz passten. Auf dem Tisch lagen ein paar weiße Spitzendeckchen, genau dort, wo sie auch liegen sollten.
Alle möglichen schönen Sachen fanden sich in dem Haus. Ich glaubte aus dem Fernsehen zu wissen, dass in einem solchen Haus das Kind meist oben sein eigenes Zimmer hatte, vielleicht sogar mit eigenem Klo. Dicker Teppichboden lag auf den Treppenstufen. Das Geländer war aus massivem Holz, mit Spuren und Furchen, die sich in einem Muster hinaufzogen, das ich nicht kapierte, aber hübsch fand. Auf halber Höhe machte die Treppe einen Linksbogen.
An der obersten Stufe angelangt, hörte ich den Jungen atmen. Sein Atem klang an den Rändern irgendwie reibend, so als würde jeder Atemzug erst zusammengeknüllt und dann mühsam heruntergeschluckt. Der Rhythmus war stetig und langsam und brachte mich direkt zu dem kranken Burschen, einem kahlköpfigen Teenager mit nebelbleicher Haut, der seine Atemzüge zerreiben, zerknüllen und schlucken musste. Sein Bett war voller Kissen, aber er benutzte nur zwei davon, beide waren ihm in den Rücken gestopft, die anderen lagen auf dem Bett herum.
Die Pillen und das andere, das flüssige Zeug, standen offen auf einem Beistelltisch. Ich ging direkt darauf zu und stellte mich zwischen den Stoff und das kranke Kind. In der Ecke baumelte ein Flugzeug an einer Schnur von der Decke, so ein zweiflügeliges Ding. Auf einer Kommode stand sein eigener Fernseher. Drei Zierbänder, die man als Belohnung für allerlei gute Taten kriegte, hingen an Reißzwecken neben einem Wandspiegel, in dessen Rahmen Fotos geklemmt waren.
Der kranke Junge, denke ich, wusste wohl, dass ich da stand. Sein kahler, sehr kahler Kopf bewegte sich ein wenig, seine Augen gingen auf und drehten sich in meine Richtung, sahen mich, starrten mich an, dann schwand das Erkennen wieder aus ihnen, und sie schauten mich an, sahen mich aber nicht, dann fielen sie wieder zu. Ich nahm die Pillen und schüttelte die Flasche ein wenig, und da war plötzlich wieder dieser Blick, diese großen kranken Augen in einem ganz kahlen Kopf, dann erlosch das Erkennen erneut, die Augen fielen zu, und es waren wieder die Atemzüge zu hören, mit denen er rang, bis er sie herunterbekam.
Ich schüttelte vier Pillen aus der Flasche und legte sie offen auf den Beistelltisch. Ich musste sichergehen, dass Red genug bekam. Dann nahm ich den Rest der verschreibungspflichtigen Medikamente, alles Pillen und Flüssigkeiten, und stopfte sie in die Grit-Tasche.
Als ich die Einfahrt schon fast zurückgelegt hatte, kam der gelbe Wagen herein, rollte auf mich zu und blieb stehen – die Mutter, nahm ich an, mit einer Milchflasche und anderem Kram in einer Einkaufstüte neben sich. Ihr Seitenfenster war offen, und ich sagte: »Grit, Ma’am?«
»Wir kaufen kein Grit.«
»Schon okay«, sagte ich. »Ich hab sowieso schon eine Menge verkauft.«
»Na, dann war der Tag ja gut«, sagte sie, ging von der Bremse und rollte zur Seitentür.
Ich weiß nicht, ob sie zu mir schaute oder nicht, aber ich weiß, ich bin gerannt. Meine Beine entschieden sich schneller dazu als mein Kopf, und ich rannte und rannte auf die Straße hinaus, vorbei am Bach und den Krieg spielenden Kindern im Gestrüpp, auf den hellbraunen Impala zu.
»Nicht rennen!« schimpfte Red, als ich in den Wagen sprang. »Nicht rennen – nur wenn jemand hinter dir her ist. Ist jemand hinter dir her?«
»Kann schon sein«, antwortete ich. Ich war
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