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Tod von Sweet Mister

Tod von Sweet Mister

Titel: Tod von Sweet Mister Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Woodrell
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bewegen, wenn auch nicht besonders gut. Carl humpelte ein wenig beim Gehen.
    »Zivilistenköder«, antwortete er auf eine Frage, die ich ihm gestellt hatte. »Schokoriegel hießen früher Zivilistenköder.«
    »Ha. Wie in
Lass uns mal ’n Zivilistenköder essen

    »Aye, aye.«
    Glenda und ich waren zum Akins-Haus gefahren, um Carl zu besuchen, und die Hitze hatte uns hinaus auf den Hof und in den Schatten der Bäume getrieben. Das Haus war so winzig, dass man zwei oder drei davon in ein normales Haus hätte stopfen können. Keine Ahnung, wer ein so kleines Haus gebaut hatte. Das Dach war mit grauen Teerpappenschindeln gedeckt, auch die Wände waren aus dem gleichen Zeug. Verschiedene Sachen, die nicht mehr funktionierten, rosteten oder vergammelten hier und da auf dem Hof, und fünf Hühner gackerten herum und pickten im Staub. Zwischen den Grasflächen gab es kahle Stellen, und bei Wind kräuselte sich das Gras.
    »Das wird sicher noch gut verheilen«, sagte Glenda.
    »Das glaubst aber auch nur du.«
    Carl saß auf einem Holzstuhl, lehnte an einem Mimosenbaum und trank Bier, er trug eine grüne Marine-Corps-Hose, von der er ein Hosenbein abgeschnitten hatte, damit Luft an das verstümmelte Bein kam. Seine Haut war ganz gelb von irgendeiner Bazille, die ihm ins Blut geraten war, vor allem im Gesicht. Durch die gelbe Haut wirkten seine Augen blauer. Seine Haare waren blond, fast weiß. Er trug kein Hemd, er war dünn geworden. Die Hundemarke mit seinem Namen – für den Fall, dass er getötet wurde – baumelte glänzend vor seiner Brust. Er rauchte viele, viele Filterlose. Auf dem Boden neben sich hatte er begonnen, leere Bierdosen zu stapeln, er versuchte wohl, sich einen hohen Willkommensstapel leerer Dosen aufzuschichten.
    »Wie war es denn so?« fragte ich.
    »Das wirst du schon rausfinden.«
    »Werde ich? Wann?«
    »Wenn sie dich losschicken.«
    Glenda und ich saßen neben Carl im Gras, und sie schien geschockt von seinen Wunden zu sein, schwer geschockt und traurig. Der Klumpen über ihrem Auge war wieder flach geworden, aber noch immer prangten falsche Farben an ihrer Augenbraue. Ich konnte sehen, dass sie fast weinte. Immer wieder goss sie sich aus ihrer silbernen Thermoskanne ein. Wenn sie den Tee hinunterstürzte, drehte sie den Kopf Richtung Wald zur Seite. Der Wald drängte von drei Seiten an den Hof und stand mürrisch da wie eine Menschenmenge, die geduldig wartete, aber nicht ganz sicher war, ob sie jemals eingeladen würde.
    »Ich werd mal Granny beim Kochen helfen«, sagte Glenda. »Sollte bald fertig sein.«
    Von der Hitze fielen einem selbst im Schatten die Augen zu. Ich ließ mich langsam nach hinten sinken und schaute nach oben. Die rosafarbenen Dinger an der Mimose riefen nach den Kolibris, bestimmt riefen sie etwas Schönes, und ein paar Vögel flogen – pffrrt, pffrrt! – von einer rosafarbenen Stelle zur nächsten, steckten ihre Schnäbel hinein und nahmen den Saft mit. Ganz weit oben, jenseits der Äste, hoch am blauen Himmel, patrouillierte ein Habicht auf den heißen Wogen, die Flügel steif ausgebreitet, zog er stille Kreise und suchte nach den Viechern, die er gern jagte.
    Ich hörte, wie Glenda und Granny sich um Salz stritten.
    Ich setzte mich auf, Carl zündete sich eine Zigarette an, beugte sich seitwärts und stellte wieder eine leere Dose auf den Stapel. Eine Pyramide, glaube ich. Seine Finger waren ruhig und sicher.
    »Magst du es noch immer, Frösche mit dem Speer zu jagen und all das?«
    »Wenn es einen Teich gibt, wo ich hinkomme, schon.«
    »Ach, ich kenne jede Menge, Carl.«
    »Ehrlich? Das sind aber mal echt schlechte Neuigkeiten für die Frösche, oder?«
    Das Essen kam in einem schwarzen Topf aus dem Haus. Glenda trug ihn. Es war Carls Lieblingsessen, das er so vermisst hatte: kleine weiße Bohnen und Speck auf Maisbrot mit einem Spritzer scharfer Sauce. Granny folgte Glenda mit Brot, Schüsseln und Löffeln. Sie ging so vorsichtig, wie sie es immer tat, wenn sie ein bisschen betrunken war. Beide wirkten von der Hitze des Herds in der winzigen Küche wie aufgedunsen und waren ganz verschwitzt.
    »Haut rein«, sagte Granny. Die Worte wankten ihr aus dem Mund, in dem zu wenige Zähne waren, um ihnen Kanten zu verleihen. Manchmal klangen ihre Worte nur ungefähr so wie das, was sie sagen wollte. »Es gibt jede Menge, also ran an die Löffel.«
    Die Hühner sprangen auf, wenn wir Bohnen nach ihnen schleuderten. Sie rissen dabei die Köpfe herum und plusterten sich auf,

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