Tod vor der Morgenmesse
benutzte ihn häufig.«
»Ich habe Uaman doch aber im Treibsand gesehen, und wie der ihn festhielt«, empörte sich Eadulf. »Dann kam eine große Welle und verschlang ihn. So etwas überlebt niemand.«
»Dann ist es eben sein Geist, der aus dem Jenseits kommt und seinen Kriegern befiehlt, unseren Leuten Schaden zuzufügen«, erwiderte Ganicca ungerührt.
Eadulf wollte etwas entgegnen, mußte aber an Iobcar denken, den Jungen, auf den sie am früheren Wohnort der Leute um Ganicca gestoßen waren. Der hatte etwas Ähnliches gesagt.
»Und der Überfall geschah vor ein paar Wochen?« mischte sich jetzt Conrí ins Gespräch ein. Als Ganicca mit Entschiedenheit nickte, meinte er zu Fidelma: »Dann ist der Hergang der Dinge klar. Uaman und seine Kriegerbande haben das Schiff auf die Riffe gelockt. Zufällig begegneten sie der Äbtissin mit ihren Gefährtinnen. Sie brachten sie um, nahmen die Nonnen gefangen und zogen Richtung Norden durch die Berge. Dort gingen sie auf das Kriegsschiff, und daraus erklärt sich, warum es unter der Flagge von Eoganán fährt. Eoganán war Uamans Vater.«
Fidelma überlegte.
|289| »Mir will nicht recht in den Kopf, was mit all dem bezweckt werden sollte. Weshalb bringt man das Handelsschiff zum Kentern? Weshalb tötet man die Äbtissin und nimmt danach ihre Begleitung gefangen? Wer ist der Mönch, der mit dabei war? Ein Fremder? Vielleicht ein Gallier, womöglich ein Überlebender von dem Wrack?«
Conrí hingegen hatte sich in seine Interpretation der Ereignisse festgebissen. »Beschreib meinen Gefährten, wohin der Weg hier führt«, bat er Ganicca.
»Wohin soll er schon führen?« reagierte der überrascht. »Natürlich aus dem Tal heraus nach Norden.«
»Kannst du etwas genauer werden?«
»Nun gut. Wenn man aus dem Tal heraus nach Osten über die Berge geht, kommt man auf die Straße, die parallel zur Küste verläuft. Sie führt ins Gebiet der Uí Fidgente und dann wieder Richtung Norden nach Ard Fhearta. Hält man sich aber westwärts, kommt man ans Meeresufer und gerät auf eine Straße, die über einem tief liegenden Streifen Land verläuft. Das ist die Machaire-Halbinsel; dort hat man die große Bucht von Bréanainn im Westen und die Machaire-Inseln an der Nordspitze.«
Conrí nickte eifrig.
»Die Machaire-Inseln«, wiederholte er bedeutsam.
Ganicca konnte nicht umhin, seine Verwunderung zum Ausdruck zu bringen.
»Die sind doch nichts weiter als eine Gruppe kleiner, unbewohnter Inseln … Na ja, bis auf eine, auf der Einsiedler leben, die Seanach-Insel.«
Mit einem befriedigten Lächeln blickte Conrí zu Fidelma. »Die Machaire-Inseln«, betonte er noch einmal.
Eadulf hatte inzwischen seine Fassung wiedergewonnen. Ganiccas Vorwurf, daß er sich in der Annahme, Uaman sei |290| tot, geirrt habe, hatte ihm schwer zu schaffen gemacht. Mit ernstem Gesicht verfolgte er die Darlegungen des Kriegsherrn.
»Willst du behaupten, daß zwischen der Schiffskatastrophe vor Uamans Insel, dem Mord an der Äbtissin, dem Verschwinden der frommen Schwestern und dem Angriff des mysteriösen Kriegsschiffes ein Zusammenhang besteht?«
»Es kann gar nicht anders sein. Und sollte Uaman in die ganze Geschichte mit verwickelt sein, macht das noch mehr Sinn.«
Eadulf schürzte skeptisch die Lippen.
»Ganicca ist der einzige, der bei dem Überfall Uaman gesehen haben will«, gab er zu bedenken.
»Der Junge aber auch«, meinte Conrí leise.
»Der Junge hat Uaman überhaupt nicht gekannt. Der hat nur wiederholt, was er Erwachsene hat sagen hören.«
»Ich weiß sehr wohl, wen ich gesehen habe und wen nicht, Bruder Angelsachse«, ging Ganicca unwirsch dazwischen.
»Am besten, wir halten uns an den Weg, den diese Männer eingeschlagen haben«, entschied Fidelma, die es zu keinem Streit kommen lassen wollte. »Ich glaube, die Antwort wird sich uns auf den Inseln offenbaren, die du als die Machaire-Inseln bezeichnest.«
Ganicca hatte bemerkt, weshalb Fidelma unter das Gespräch einen Schlußpunkt gesetzt hatte. »Es geht auf Mittag zu, wir haben nur wenig, um euch unsere Gastfreundschaft zu erweisen. Aber zu dem, was wir haben, seid ihr herzlich geladen.«
Dankend lehnte Fidelma das Angebot ab.
»Wir sollten unseren Aufbruch nicht erst lange aufschieben, guter Freund.«
»Es ist doch keine Eile geboten«, erwiderte der Alte. »Drei |291| Wochen sind seither vergangen, und die Aussichten, die Männer jetzt noch einzuholen …« Er schüttelte den Kopf.
»Egal, wir brechen auf.« Fidelma
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