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Tod vor der Morgenmesse

Tod vor der Morgenmesse

Titel: Tod vor der Morgenmesse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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zur Kenntnis. »Wo könnten wir die Pferde anbinden?«
    Der Bauer hielt kurz Umschau. »Führt sie hinter das Haus in die Umzäunung«, sagte er. »Wir haben da zwar ein paar Schafe, aber das wird sie nicht weiter stören. Zumindest sind sie vorm Wind geschützt. Die Quelle ist dort drüben, und die Scheune, in der ihr schlafen könnt, auch. Bis ihr euch gewaschen |294| habt, ist das Essen fertig. Du, Schwester, kommst mit ins Haus.«
    Das Essen war gut, und das Heu war warm, und zum ersten Mal seit etlichen Tagen schlief Eadulf tief und fest, ohne ein einziges Mal in der Nacht aufzuwachen. Daß Fidelma eine bessere Bettstatt hatte, neidete er ihr nicht. Als er morgens aufwachte und sich gewaschen hatte, saßen die anderen schon beim Frühstück. Conrí, der in weiser Voraussicht auf Reisen immer kleine Gaben bei sich hatte, verteilte an den Bauern, seine Frau und den Sohn Geschenke als Dank für ihre Gastfreundschaft. Socht und sein Gefährte hatten inzwischen die Pferde gesattelt, und nach einer herzlichen Verabschiedung zogen sie weiter.
    Der Salzgeruch der See war auf der Halbinsel von Corco Duibhne eigentlich immer gegenwärtig, aber jetzt war er unverkennbar nah. Die Luft war erfüllt vom Gekreisch der Möwen, und in dem Geschrei leisteten ihnen ein paar einsame Grünschenkel, die in den Süßwasserpfützen und Seen umherwateten, Gesellschaft. Doch den größten Lärm machten die Möwen, besonders die großen Mantelmöwen mit dem schwarzen Rückengefieder und dem gewaltigen, gekrümmten Schnabel. Sie waren gefährliche Jäger, ernährten sich von Abfall und Aas und fraßen die Jungen von Artgenossen wie Papageientauchern, Grünschenkeln und Dreizehenmöwen. Eadulf schwirrten gerade die Vogelnamen durch den Kopf, da schreckte ihn das grelle »kitti-wä-ä-k« einer Dreizehenmöwe auf, das wie der schaurige Ruf einer verlorenen Seele klang. Zwei Altvögel schwebten vor ihnen an der Küste entlang; deutlich waren ihr weiches graues Gefieder, der weiße Kopf und der gelbe Schnabel zu erkennen.
    Conrí, Fidelma und Eadulf ritten voran, die beiden Krieger unmittelbar hinter ihnen.
    |295| »Jetzt sind wir schon zweimal über die Halbinsel gezogen von einem Ende zum anderen«, unterbrach Eadulf das Schweigen, das seit dem Aufbruch von dem Bauernhof zwischen ihnen geherrscht hatte. »Langsam müßte ich das Gelände kennen.«
    »Bei einem Land wie diesem lernt man nie richtig aus«, meinte Conrí und deutete über die Berge hinter ihm. »Ich war da überall schon mal. Bei den Bewohnern hier heißen die Täler Gleannta an Easig, die Wasserfall-Täler.«
    Das leuchtete Eadulf ein. Es war ein Land, das ihn eigentümlich anmutete. Felsen ragten empor und warfen ihre Schatten auf Seen. Flüsse durchquerten die Täler, und diese Täler waren grün und dicht mit Bäumen bewachsen, um sich urplötzlich in düstere felsige Gebiete zu verwandeln und sich gleich darauf wieder in grünem Gewand zu zeigen. Die Besiedlung war spärlich. Doch jetzt, als sie am weißen sandigen Ufer entlangritten, das sie der Landspitze, der Machaire-Halbinsel, näher brachte, erkannte Eadulf Gehöfte und Gebäude, die vereinzelt und fast versteckt zwischen Bäumen und Felsen standen.
    Zu ihrer Linken kam ein großer See in Sicht, der mit seinem klaren Wasser ein regelrechtes Vogelparadies war. An seinem Ufer kringelte sich an einer Stelle eine Rauchfahne in die Höhe.
    »Das könnte eine Schmiede sein«, meinte Conrí, der Eadulfs verwundertem Blick gefolgt war. Der schwache Klang von Metall auf Metall schien seine Vermutung zu bestätigen.
    Sie blieben auf dem schmalen Streifen Grünland, der auf beiden Seiten von weißem Sand eingefaßt war, bis sie ans Ende der Landzunge kamen. Die lief in eine Bucht aus. Den Scheren einer Krabbe nicht unähnlich, hielten niedrige Felszungen sie umklammert. Es war ein felsiges, unwirtliches Ufer, nicht |296| zu vergleichen mit den breiten sandigen Hängen, die sich zuvor bis ans Meeresufer erstreckt hatten. Das einzige Zeichen dafür, daß sich Menschen hierher verirrt hatten, war ein
gallán,
eine Steinsäule, die gut fünf Meter in die Höhe ragte.
    Jenseits des Eingangs zur Bucht konnten sie andeutungsweise in der Ferne die Machaire-Inseln erkennen. Doch der scharfsichtige Conrí erspähte etwas anderes.
    »Seht mal dort drüben!« rief er plötzlich, und alle blieben stehen.
    Er wies über den Felsgürtel hinweg nach Osten. Gegen das kabbelige graue Meer hatten sie zunächst den Eindruck, es handele sich um

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