Tod vor der Morgenmesse
und erklärte lediglich: »Ich an deiner Stelle würde Abt Erc nicht unnötig lange warten lassen, Fürst Conrí. Was Lady Fidelma und ihren Begleiter betrifft, so wird der Abt beide gewiß nach dem Abendgebet und Essen empfangen. Ich bringe euch derweil zum
hospitium,
dort könnt ihr euch nach dem langen Ritt erholen und frisch machen.«
Eadulf entging nicht, daß der lateinische Ausdruck gefallen war.
»Habt ihr euch hier dem römischen Brauch angeschlossen, Bruder?« fragte er, stieg vom Pferd und folgte dem Verwalter. Sie führten die Tiere am Zügel, während sie durch die Klosteranlage gingen.
|48| Bruder Cú Mara schüttelte den Kopf.
»Ich habe sehr wohl bemerkt, daß du die römische Tonsur trägst, Bruder Eadulf. Wir hier folgen aber den Lehren unserer Kirchenväter. Trotzdem spielt Latein eine beachtliche Rolle im Kloster, und unsere Gelehrten sind stolz darauf, aus lateinischen Texten zu übersetzen. Der Ehrwürdige Cináed führte eine umfangreiche Chronik in Latein, in der er die Geschichte der Abtei seit ihrer Gründung durch den heiligen Bréanainn festhielt.«
Conrí hatte sein Pferd einem seiner Mitstreiter, einem wortkargen Krieger namens Socht, übergeben und sich von ihnen getrennt, um den Abt aufzusuchen. Indes geleitete der junge Verwalter die anderen durch das Gelände, vorbei an Gebäuden unterschiedlicher Größe und Bauart und weiter bis zu einem Holzbau von beachtlichem Ausmaß. Vermutlich war es das
hospitium
. Bruder Cú Mara blieb stehen.
»Wir haben zur Zeit keine weiteren Gäste, folglich habt ihr das Haus ganz für euch. Macht es euch bequem. Schwester Sinnchéne ist drinnen. Sie wird euren Wünschen nachkommen. Nach dem Abendgebet hole ich euch wieder ab und bringe euch zu Abt Erc.«
Er ließ es dabei bewenden, drehte sich um und ging.
Socht und der zweite Krieger übernahmen die Pferde und führten sie fort zu den Ställen.
Mißmutig blickte Eadulf dem wegeilenden Bruder Cú Mara nach. »Ausgesprochen fröhlich scheint der junge Mann nicht ob unserer Anwesenheit zu sein«, stellte er fest.
»Du darfst nicht vergessen, daß wir uns auf dem Gebiet der Uí Fidgente befinden«, erwiderte Fidelma. »Es ist erst zwei Jahre her, daß mein Bruder sie in der Schlacht besiegte. Manche Menschen tun sich schwer, zu vergeben und zu vergessen.«
|49| Eadulf öffnete die Tür zum Gästehaus und ließ Fidelma den Vortritt. Sie kamen in einen großen Raum mit roter Eibentäfelung. Offensichtlich war er für die Allgemeinheit gedacht, hier konnte man am Feuer sitzen und sich entspannen. Draußen wurde es schon dunkel; an kalten Wintertagen wie diesem kam die Abenddämmerung zeitig, doch in der mit Steinplatten ausgelegten Feuerstelle flackerten fröhlich Flammen. Eine junge Frau mühte sich an einer Öllampe ab, die auf einem Mitteltisch stand, und versuchte den spärlich brennenden Docht zu richten. Sie hatte ihr Eintreten nicht bemerkt und blickte jetzt erschrocken auf. Die geröteten Augen und Tränen in den Wimpern verrieten, daß sie geweint hatte.
Rasch erhob sie sich und fuhr mit einer Hand flüchtig über das Gesicht. Fidelma betrachtete das Mädchen mit Wohlgefallen. Es hatte helle Haut, blaue Augen und üppiges blondes Haar. »Ich bin Schwester Sinnchéne«, stellte sie sich vor. »Ihr seid sicher die Gäste, die wir erwarten? Ich steh euch zu Diensten.«
Ganz offensichtlich hatten sie die Nonne in einem Moment überrascht, da sie ihrem Kummer freien Lauf ließ, und jetzt versuchte sie, sich nichts anmerken zu lassen.
Fidelma nannte ihren und Eadulfs Namen. Schwester Sinnchéne zeigte keine sonderliche Reaktion. Offenbar wußte sie nichts von Fidelmas verwandtschaftlichen Beziehungen zum König von Muman.
»Vielleicht willst du nach deiner Reise baden, Schwester«, meinte sie. »Ich kann rasch heißes Wasser fürs Badehaus bereiten. Nur sind unsere Möglichkeiten hier ziemlich einfach, es gibt keine getrennten Einrichtungen für Männer und Frauen. Aber wenn dein Gefährte wartet, bis du fertig bist, will ich dafür Sorge tragen, daß auch für ihn heißes Wasser bereit ist.«
|50| Das irische Streben nach übertriebener Reinlichkeit war Eadulf stets fremd geblieben. Da, wo er herkam, aus dem Land des Südvolks, war Baden lediglich ein kurzes Eintauchen im Fluß, und selbst das machte man nicht allzu oft.
»Ich kann gerne warten«, bestätigte er eilfertig.
»Für die Übernachtung haben wir getrennte Räumlichkeiten«, fuhr Schwester Sinnchéne fort und wies auf einen
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