Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tod vor der Morgenmesse

Tod vor der Morgenmesse

Titel: Tod vor der Morgenmesse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
Vom Netzwerk:
widerstandsfähig aus«, stellte er fest. »Die, die eigentlich senkrecht in die Höhe wachsen müßten, liegen fast am Boden, verkrüppelte und in sich verdrehte Gebilde, eher Phantome aus einer anderen Welt.«
    Es war nicht das erste Mal in diesen zwei Tagen, seit sie von Cashel aufgebrochen waren, daß Fidelma ihren Begleiter seines kritischen Tons wegen mit einem tadelnden Blick strafte. Doch sogleich konzentrierte sie sich wieder auf die Aussicht, die vor ihnen lag.
    Die Abtei, deren Gebäude wie fast alle klösterlichen Anlagen der Gegend ringsherum von einem Schutzwall umgeben waren, hatte man hoch auf einer Bergkuppe erbaut. Am Fuß der Erhebung schlängelte sich ein Fluß und bahnte sich den Weg zum Meer. Hier und da im Tal verstreut, erspähte Eadulf befestigte Gehöfte und Bauernhäuser, und er mußte daran denken, daß noch bis vor kurzem die Uí Fidgente sehr kampfwütige Leute gewesen waren. Im Gegensatz zu anderen großen Klöstern war das vor ihnen liegende nicht der Kern eines dörflichen Gemeinwesens, denn es befand sich keine Siedlung in seinem unmittelbaren Umfeld.
    Conrí gab sich alle erdenkliche Mühe, auf heilige Brunnen, Grabmäler und ertragreiche Gehöfte der Gegend hinzuweisen. »Ard Fhearta ist über hundert Jahre alt«, wußte er nicht ohne Stolz zu berichten. »Erbaut wurde es von dem großen Bréanainn …«
    |43| »… von den Ciarraige Luachra«, fiel ihm Bruder Eadulf ins Wort. »Ich kenne die Geschichte.«
    »Ard Fhearta heißt soviel wie ›Friedhofshöhe‹, stimmt’s?« vergewisserte sich Fidelma und überging Eadulfs Bemerkung. »Demnach hat man die Abtei auf einer alten heidnischen Begräbnisstätte errichtet.«
    »Wie viele andere Klöster und Kirchen unseres neuen Glaubens auch«, stimmte ihr Conrí zu. »Abt Erc hat mir erzählt, man habe es deshalb getan, um die alten Stätten zu weihen, auf daß all unsere Vorfahren sich mit uns im christlichen Jenseits vereinen können.«
    Bruder Eadulf legte die Stirn in Falten. Seine Leute, das Südvolk, die ihre Herkunft von Casere, dem Sohn des großen Gottes Wodan ableiteten, hatten immer geglaubt, der einzige Weg, Unsterblichkeit zu erlangen, sei, mit dem Schwert in der Hand zu sterben, Wodans Namen auf den Lippen. Dann und nur dann würden sie ins Jenseits gelassen, würden sie in der großen Heldenhalle neben den Göttern sitzen dürfen. Hin und wieder lebten in ihm die Glaubensvorstellungen seiner frühen Jugend auf und gerieten in Widerstreit zu seiner Bekehrung zum Neuen Glauben. Eadulf war immer noch auf der Suche nach der Bestätigung der göttlichen Wahrheit. Deshalb hatte er auch die weniger strengen Lehren der Iren abgelehnt, die ihn bekehrt und ausgebildet hatten, und sich zu den rigoroseren Ansichten Roms bekannt.
    Der kleine Trupp zog weiter und strebte der Klosteranlage mit ihren grauen Stein- und Holzbauten zu. Der Weg führte durch eine breite Allee, umsäumt von Steineinfassungen, vorbei an einer hohen, unbehauenen, nach Westen ausgerichteten Steinsäule und weiter durch den Talgrund, wo das Rauschen des Meeres weniger stark war, weil die Hügel dazwischen lagen. Sie begegneten einem Hirten mit einer kleinen |44| Herde Ziegen; beflissen versuchte er, die Tiere zur Seite zu treiben. Offensichtlich erkannte er Conrí, denn er grüßte den Kriegsherrn ehrerbietig, nicht ohne neugierig dessen Mitreisende in Augenschein zu nehmen.
    Als sie sich bergauf den Mauern von Ard Fhearta näherten, öffneten sich die Holztore, und ein junger Mann trat heraus. Mit unverhohlener Erregung blieb er stehen und sah ihnen entgegen.
    »Gott sei mit dir, Bruder Cú Mara«, begrüßte ihn Conrí und zügelte sein Pferd vor dem geöffneten Tor.
    »Mögen Gott und Maria dich schützen, Conrí, Sohn des Conmáel«, erwiderte der junge Mann, wie es das Ritual verlangte. Dann wandte er sich den anderen zu, um auch sie willkommen zu heißen. Seine Augen verengten sich zu Schlitzen, als er Fidelma gewahr wurde.
    »Bruder Cú Mara ist der
rechtaire
der Abtei«, erklärte Conrí.
    »Willkommen in Ard Fhearta, Lady.« Der Ton seiner Worte widersprach ihrem Inhalt.
    Fidelma zog eine Augenbraue hoch. »Du weißt, wer ich bin?«
    Der junge Mann neigte leicht den Kopf. »Wer kennt nicht Fidelma, Schwester von Colgú, dem König von Muman? Dein Ruf als
dálaigh
hat sich in allen fünf Königreichen von Éireann verbreitet.«
    Vorwurfsvoll sah Fidelma zu Conrí. »Sagtest du nicht, du hättest niemandem gegenüber ein Wort verloren, daß du an mich

Weitere Kostenlose Bücher