Tod vor der Morgenmesse
Flur, der von dem Raum hinter ihr abging. »Badehaus und
defaecatorium
befinden sich am anderen Ende des Gangs.«
»In unserer Begleitung ist Fürst Conrí mit zwei Kriegern. Für sie brauchen wir auch eine Liegestatt«, erläuterte Fidelma.
»Die Krieger werden sich mit Betten im Schlafsaal begnügen müssen«, befand Schwester Sinnchéne energisch und in sachlichem Ton. »Ich gehe das Wasser bereiten und sage Bescheid, wenn’s heiß ist. Inzwischen kannst du dich für eine Kammer entscheiden, Schwester.«
Sie verschwand mit raschen Schritten.
Fidelma begab sich in den Korridor, von dem aus man in mehrere Zellen gelangte. Sie waren so klein, daß nicht mehr als eine schmale Bettstatt und ein paar armselige Gegenstände Platz fanden. Fidelma betrat die erstbeste und warf mit einem leichten Seufzer ihren Mantelsack aufs Bett. Eadulf bezog die danebenliegende Zelle und folgte dann Fidelma, die in den Hauptraum zurückgegangen und auf einen Stuhl gesunken war.
»Da wir gerade einen Moment allein sind«, fing sie unvermittelt an, »könntest du mir erzählen, was dir auf der Seele liegt.«
Eadulf zog die Augenbrauen hoch. »Wie kommst du darauf?«
»Die ganze Reise über hast du herumgenörgelt wie ein altes |51| Weib«, reagierte sie verärgert. »Es wäre besser, du sagst, was dich bedrückt, als es länger mit dir herumzutragen.«
Eadulf zögerte, zuckte mit den Schultern und setzte sich ihr gegenüber. »Seit Conrí in Cashel aufgetaucht ist, beschäftigt mich ein und dasselbe«, bekannte er gequält.
»Und das wäre?« drängte ihn Fidelma unnachgiebig.
»Es ist nur wenige Wochen her, daß man unseren Sohn Alchú entführte. Gott sei Dank konnten wir ihn wieder unbeschadet in die Arme schließen. Doch wir waren eben erst als Familie vereint, waren gerade sicher in Cashel angelangt. Es wurde höchste Zeit, endlich eine Weile zur Ruhe zu kommen. Da erscheint Conrí, und du begibst dich kurzentschlossen auf gefährliches Terrain. Das mag ja hier alles zum Königreich deines Bruders gehören, aber von jeher bäumt man sich hier gegen ihn auf. Und nur, weil Conrí dir in den Ohren liegt, gehst du mit ihm.«
Über Fidelmas Gesicht glitt ein Schatten, und für einen kurzen Augenblick verrieten ihre Augen Wehmut. »Ich bin Alchús Mutter, Eadulf«, sagte sie mit Nachdruck. »Glaubst du, mein Sohn liegt mir nicht am Herzen? Ich leide ungeheuer darunter, daß ich ihn gleich wieder in Cashel habe zurücklassen müssen, vielleicht sogar mehr als du. Aber ich bin des Königs Schwester, und – wie dir sehr wohl bewußt ist – vor allen Dingen eine
dálaigh
. Ich habe die Ausbildung dafür erfahren, und in diesen Dingen kenne ich mich aus. Du weißt um die Probleme, die mein Bruder mit den Uí Fidgente hatte. Jetzt bietet sich mir eine ideale Möglichkeit, den brüchigen Frieden zwischen Cashel und dem ungebärdigen Stamm hier zu festigen. Conrí ist als Kriegsherr der Uí Fidgente nach Cashel gekommen und hat um meine Hilfe als
dálaigh
ersucht. Indem ich ihm diese Hilfe gewähre, kann ich meinen Bruder in seinem Streben, sein Königreich wieder zu einen, unterstützen.«
|52| Eadulf konnte ihrer Argumentation durchaus folgen, aber sein inneres Ich wehrte sich.
»Ich hätte nichts dagegen, wenn alles andere bei uns in ebenen Bahnen verliefe, aber davon kann wohl kaum die Rede sein«, protestierte er. »Die wenigen Wochen sind zu zählen, die wir uns in Cashel eingerichtet haben und wieder als Familie zusammen sind. Gerade haben wir begonnen, Pläne zu schmieden für die feierliche Zeremonie, die uns für immer aneinander binden soll. Wir hatten dafür das Fest des Imbolc gewählt, wenn die Schafe ihre Lämmer werfen. An dem Tag solltest du meine
cétmuintir
werden.«
Seit fast einem Jahr lebten Fidelma und Eadulf als
ban charrthach
und
fer comtha
zusammen, als Partner für ein Jahr und einen Tag, einem dem Gesetz nach rechtsgültigen, wenn auch nur zeitlich befristeten Ehebündnis. Stellte sich heraus, daß man nicht zusammenpaßte, konnte man nach Jahr und Tag ohne Schimpf und Schande und auch ohne gegenseitige Zahlungsverpflichtungen wieder auseinandergehen.
Betroffen sah Fidelma Eadulf an. »Hegst du Zweifel, daß es nicht dazu kommen könnte?« fragte sie leise.
Eadulf hob den Arm, wie um seine Hilflosigkeit anzudeuten, und ließ ihn wieder sinken. »Bisweilen bin ich mir nicht so sicher. Irgendwie treibt es uns von einer dramatischen Situation in die nächste.«
»Dann will ich dir folgendes sagen«,
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