Tod vor der Morgenmesse
meinte sie ernst. »Daß ich hierhergekommen bin, geschah auf Verlangen meines Bruders, nicht weil ich Conrí zu Willen sein wollte. Unter den gegebenen Umständen hätte ich ohnehin keine Veranlassung gehabt, Conrí einen Gefallen zu tun. Mein Bruder ist König. Ich bin seinen Wünschen nachgekommen. Ich habe bereits versucht, dir das zu erklären, ehe wir uns auf den Weg machten.« Eadulf war im Begriff, etwas zu erwidern, aber sie gebot ihm |53| mit der Hand Einhalt und fuhr fort: »Eine Aufklärung der dramatischen Ereignisse hier ist äußerst wichtig für die Herrschaftsverpflichtung meines Bruders. Jetzt stellen wir bei unserer Ankunft in Ard Fhearta fest, daß sich das Drama zugespitzt hat: Der Ehrwürdige Cináed wurde ermordet. Ein Mann, der in allen fünf Königreichen bekannt und geachtet ist und für den selbst der Hochkönig Bewunderung hegt. Sein Tod dürfte für alle im Lande hier ein weitaus größerer Schock sein als der von Conrís Tante, der Äbtissin Faife.«
Mit Sicherheit hatte Fidelmas Bruder Colgú in dem Gespräch mit ihr auf die politische Bedeutung hingewiesen, gewährte man Conrí Unterstützung. Wenn Cashel auf ein Hilfeersuchen der Uí Fidgente einging, bei der Aufklärung eines Verbrechens im Kloster Ard Fhearta mitzuwirken, dann konnte das nur von Vorteil sein, wollte man den Zwist begraben, der über lange Zeiten die Herrscher der Uí Fidgente und die Könige von Muman gegeneinander aufgebracht hatte.
»Colgú hat gut reden«, ereiferte sich Eadulf. »Er muß sich ja nicht in den Bezirk der Uí Fidgente ohne seine Leibgarde vorwagen und sich Gefahren aussetzen …«
Fidelma lächelte schelmisch. »Nanu! Sagst du nicht immer, daß du einzig und allein um meine Sicherheit besorgt bist?«
Eadulf ärgerte sich, wie leichtfertig sie sich gab. »Mir geht es um die Sicherheit von uns beiden. Es wäre besser gewesen, wenn uns die Krieger deines Bruders begleitet hätten, Männer, denen wir vertrauen können. Statt dessen müssen wir uns wohl oder übel auf Conrí und die Gutwilligkeit der Uí Fidgente verlassen.«
Fidelma schüttelte den Kopf. »Ich vertraue Conrí.«
»Mir ist meine Zeit als Gefangener der Uí Fidgente ins Gedächtnis geschrieben. Du kannst von mir nicht erwarten, daß ich ihnen vertraue.«
|54| »Auf der Suche nach Alchú bist du aber auf eigene Faust durch das Gebiet der Uí Fidgente gezogen, da hast du nicht nach deiner Sicherheit gefragt.«
»Da ging es auch nur um mich. Du warst in Cashel und sicher.«
Lächelnd schüttelte sie den Kopf.
»Das war ich nicht, wie sich herausstellte«, erinnerte sie ihn. »Ich war Gefangene der rebellischen Uí Fidgente. Und es war Conrí, der mir zur Flucht verhalf.«
»Sich gegen dich in einem Streitgespräch zu behaupten, wird mir wohl nie gelingen!« Eadulf hob die Arme, als wollte er sich eines imaginären Angreifers erwehren. »Ich sollte es gar nicht erst versuchen. Da wir nun einmal hier sind, laß mich lieber mit meinen Bedenken allein.«
»Das wird mir schwerfallen«, sagte sie und meinte es ernst. »Jedenfalls sehen wir nachher Abt Erc. Ich hoffe, du wirst deinen Unmut bezwingen können und keine Feindseligkeit aufkommen lassen. Feindseligkeit wird uns hier reichlich begegnen. Ich brauche deine Unterstützung, deinen Kopf und Verstand. Vergiß nicht, Muigen und Nessán versorgen unseren kleinen Alchú, der ist in der Festung meines Bruders wohl geborgen. An unseren Plänen für den Festtag des Imbolc ändert sich nichts. Jetzt aber sind wir hier, du und ich, beide zusammen, und es gilt, ein Problem zu lösen. Was kann uns Besseres passieren?«
Ihre Begeisterung war ansteckend, er mußte lächeln.
»Also gut, ich werden meine Ängste im Zaum halten. Und doch sehne ich den Tag herbei, da wir nach Cashel zurückkehren können.«
Man hörte Schritte. Schwester Sinnchéne erschien in der Tür.
»Das Wasser ist bereitet, wenn es dir jetzt recht ist, Schwester.«
|55| »Großartig.« Fidelma erhob sich und griff sich den
cíorbholg,
die Kammtasche, in der alle irischen Frauen ihre Toilettenartikel aufbewahrten. »Bring mich zu eurem Badehaus, Schwester, ich bin soweit.«
Schwester Sinnchéne führte Fidelma durch den Flur zu einem Raum, in dem ein großer Holzbottich stand, der sogenannte
dabach
. Dampf stieg aus ihm auf. Weiter hinten in der Ecke hing ein Wasserkessel über einem Feuer. Auch gab es Borde, in denen
sléic
und Leinentücher gestapelt waren. Gleich daneben standen kleine Gefäße mit Öl und duftenden
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