Tod vor der Morgenmesse
Kräuterextrakten, die zur Körperpflege genutzt wurden. Sogar ein
scaterc,
ein Spiegel aus edlem poliertem Metall, glänzte im Raum, und selbst eine stattliche Sammlung sauberer Kämme fehlte nicht.
»Wenn du magst, gehe ich dir zur Hand«, bot sich die junge Schwester an.
Geistesabwesend nickte Fidelma. Es war üblich, daß man eine Wärterin bei sich hatte, die heißes Wasser zugoß und einen mit Seife und Handtüchern versorgte.
Sie zog sich aus und stieg in den
dabach
. Zu heiß war das Wasser nicht. Sie entspannte wohlig, lehnte sich zurück, während ihr Schwester Sinnchéne einen Riegel Seife reichte.
»Bist du schon lange hier in der Abtei?« fragte Fidelma und begann sich abzuseifen.
Schwester Sinnchéne prüfte die Wasserwärme. »Seit ich das Alter der Wahl erreicht habe«, erwiderte sie.
Das Alter der Wahl,
aimsir togu,
die Volljährigkeit erreichte ein Mädchen, wenn es vierzehn Jahre alt wurde.
»Ich würde meinen, du bist noch keine zwanzig Sommer«, getraute sich Fidelma zu raten.
»Einundzwanzig bin ich«, wurde sie berichtigt. Das Mädchen wandte sich dem Kessel zu und schöpfte mit einem |56| großen Metallkrug Wasser zum Nachfüllen. Sie kehrte zum Badezuber zurück und leerte den Krug vorsichtig, darauf bedacht, Fidelma nicht zu verbrühen.
»Der Ehrwürdige Cináed war dir gewiß kein Unbekannter.«
Es kam nicht gleich eine Antwort, und Fidelma blickte auf. Zu ihrer Überraschung bemerkte sie, daß sich Schwester Sinnchénes Wangen gerötet hatten.
»Wir sind ein kleine Gemeinschaft hier«, entgegnete sie; ihr Ton hatte sich völlig verändert und gab Fidelma zu denken.
»Gewiß, stimmt. Das habe ich nicht bedacht. Natürlich muß euch alle hier sein Tod betroffen gemacht haben.«
»Er war ein gütiger und großherziger Mensch«, sagte die junge Nonne und kämpfte mit der Stimme.
»Hast du eine Ahnung, wie er zu Tode kam?«
Die Klosterfrau zog die Stirn in Falten und schaute Fidelma an, als verstünde sie nicht recht. »Jedermann weiß, daß man ihm den Schädel zertrümmert hat, als er im Bethaus war.«
»Gibt es irgendwelche Mutmaßungen, wer so etwas getan haben könnte?«
Einen Augenblick lang konnte man meinen, die fromme Schwester würde ihren Tränen freien Lauf lassen, die sie die ganze Zeit verzweifelt zurückzuhalten versuchte. Nur kurz verkrampften sich ihre Züge, dann hatte sie sich unter Kontrolle.
»Es steht mir nicht zu, über Gerüchte zu spekulieren«, meinte sie schließlich. »Frage den Abt.«
»Du weißt doch aber sicher …«, begann Fidelma erneut.
»Wenn du keine weiteren Wünsche hast, Schwester …«, fiel ihr Sinnchéne ins Wort, »auf mich warten noch andere Pflichten.«
Fidelma erwiderte nichts, senkte nur den Kopf. Sie wußte, |57| wann man nicht länger Fragen stellen durfte, die andere nicht beantworten wollten. Schwester Sinnchéne verließ mit raschen Schritten den Baderaum. Sinnend blickte Fidelma ihr nach.
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KAPITEL 3
Die Abendmahlzeit lag hinter ihnen. Die Glaubensbrüder hatten sich zurückgezogen, um vor der Nachtruhe ihren letzten Pflichten nachzugehen. Einer Tradition folgend, die auf den Gründer der Abtei zurückging, hatte man das Essen schweigend eingenommen. Abt Erc, der vor dem Essen Fidelma und Eadulf nur in aller Förmlichkeit begrüßt hatte, lud sie und Conrí jetzt ein, ihn zu seinem Gemach zu begleiten, damit sie gemeinsam die Sachlage erörterten. Der alte grauhaarige Mann hatte ein scharfkantiges Gesicht, schmale Lippen, kleine dunkle Augen und etwas Unnahbares an sich. Conrí hatte Fidelma vorgewarnt, daß der Abt, ursprünglich ein Verfechter des alten Thronanspruchs der Uí Fidgente, nicht sonderlich erbaut von ihrer Anwesenheit im Kloster war. Offensichtlich unterschied er sich in dieser Hinsicht wenig von seinem Verwalter, Bruder Cú Mara, der ebenfalls mit zum Abt kam.
Der Verwalter verhielt sich kühl, aber höflich. Eadulf fragte ihn, warum man das Abendessen in striktem Schweigen verzehrt hatte.
»Der Gründer unseres Klosters glaubte, daß Essen und Trinken, das unser Leben erhält, ein großes Geschenk des Schöpfers ist und daß man es deshalb in Gedanken versunken ob der Wunder der Schöpfung verspeisen sollte. Bei Speis und Trank zu sprechen heißt den Koch beleidigen und seiner eigenen Existenz höhnen, denn nur Essen und Trinken hält Leib und Seele zusammen. Insofern käme es einer Verachtung |58| des Schöpfers gleich, ist er es doch, dem wir unsere Nahrung verdanken, und nur so können
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