Tod vor der Morgenmesse
Dinge muß ich erst abwarten, was das Gespräch mit ihm ergibt. Wenden wir uns also der Ermordung des Ehrwürdigen Cináed zu.«
Abt Erc blickte erstaunt auf. »Glaubst du, du hast die Befugnis, eine Untersuchung beider Todesfälle anzustrengen?« forschte er. Aus dem Ton, wie er das sagte, war klar, daß er sich gegen den Gedanken sträubte.
»Ich bin eine
dálaigh,
bin verpflichtet, Recht und Gesetz im Lande zu wahren«, erwiderte Fidelma in aller Ruhe. »Daß zwei prominente Mitglieder ein und derselben Klostergemeinschaft ermordet werden, ist ungewöhnlich. Wir müssen der Frage nachgehen, ob zwischen den beiden Vorfällen ein Zusammenhang besteht.«
»Ich wüßte nicht, wie das möglich sein sollte«, wandte der Abt sichtlich ungehalten ein. »Äbtissin Faife kann nur Banditen zum Opfer gefallen sein, und ihre Gefährtinnen hat man als Sklaven verschleppt. So stellt es sich mir dar. Cináed aber wurde hier bei uns im Andachtsraum niedergeschlagen. Das ist aus purer Mißgunst geschehen. Ich sehe nicht, wo da ein Zusammenhang sein sollte.«
»Ich werde trotzdem ein paar Fragen stellen«, sagte Fidelma entschieden.
Gedankenvoll betrachtete sie der alte Abt; er begriff, daß sich hinter ihrem ruhigen Ton ein starker Wille verbarg. Achselzuckend ergab er sich in sein Schicksal.
»Was möchtest du wissen?«
»Fangen wir damit an, wie man die Leiche fand. Wenn ich |64| es richtig verstanden habe, warst du es, der sie entdeckt hat. Das war vor drei Tagen?«
»Ja, ich habe sie gefunden. Ich ging zum Bethaus, um den Andachtsraum für den jedes Jahr stattfindenden feierlichen Gottesdienst zu Ehren der heiligen Íte herzurichten. Sie war die Lehrmeisterin unseres verehrten Bréanainn. Normalerweise treffen der Ehrwürdige Cináed und ich gemeinsam die Vorkehrungen. Es war alles dunkel, und ich dachte zuerst, er wäre noch nicht da. Dann fand ich seinen Leichnam, hinter dem Altar, mit eingeschlagenem Schädel.«
»Kannst zu zeigen, wo genau die Wunde war?«
Der Abt deutete auf seinen Hinterkopf.
»Und er lag mit dem Gesicht nach unten?«
Abt Erc schüttelte den Kopf. »Nein. Er lag auf dem Rücken.«
Fidelma schürzte die Lippen, schwieg aber.
»Fand sich im Raum eine Waffe oder ein schwerer Gegenstand?« erkundigte sich Eadulf.
»Wir haben nichts dergleichen entdeckt.«
»Für einen so wuchtigen Hieb braucht man eine schwere Waffe«, meinte Eadulf nachdenklich. »Und Blut? Aus so einer Wunde muß das Blut geradezu herausgespritzt sein, es muß auch die Kleidung des Täters befleckt haben.«
Fidelma nickte Eadulf anerkennend zu und wandte sich dann an den Abt. »Hat man jemand mit Blutflecken an der Kleidung gesehen? Ist nach blutverschmierten Kleidungsstücken gesucht worden?«
Offenbar war dem Abt bislang so ein Gedanke gar nicht gekommen. Fragend sah er seinen Verwalter an. »Ist danach gesucht worden?«
Der junge Mann breitete hilflos die Arme aus. »Ich werde es sogleich veranlassen«, erklärte er sich verteidigend.
|65| Die Anwältin strafte ihn mit einem tadelnden Blick. »Ein bißchen spät vielleicht. Aber schaden kann es nicht. Es gibt ja wahrscheinlich eine Wäscherei für die Bruderschaft.«
»Selbstverständlich, das
tech-nigid,
ein Waschhaus.«
»Und wann wird gewaschen?«
»Jede Woche am
Cét-ain,
dem ersten Fastentag.«
Eadulfs Gesicht hellte sich auf. »Das ist morgen. Demnach ist seit dem Mord noch nicht gewaschen worden?«
»Ich glaube nicht«, erwiderte Bruder Cú Mara.
»Wer ist für das
tech-nigid
zuständig?« fragte Fidelma.
Die Antwort kam vom Abt. »Zur Zeit ist es Schwester Sinnchéne. Die Verantwortlichkeiten werden jeden Monat gewechselt, und diesen Monat ist es Sinnchénes Aufgabe.«
»Ist das die junge Schwester, die sich auch um das
hospitium
kümmert?« Fidelma schaute zum Verwalter, und der nickte. »Sorge dafür, daß niemand etwas anfaßt. Ehe nicht sämtliche Kleidungsstücke überprüft sind, darf nicht gewaschen werden. Die Überprüfung erfolgt morgen früh.« Sie sah Eadulf an. »Ich fürchte, das wird deine Aufgabe sein; ich muß derweil den Kaufmann Mugrón befragen. Bestimmt helfen dir Conrís beide Krieger.«
Eadulf nahm die Sache hin, begeistert war er nicht.
Fidelma aber stellte Abt Erc weitere Fragen.
»So viel zur Art und Weise seines Todes. Kommen wir zu seinem Leben. Wie gestaltete sich das? Sein Werk ist weithin bekannt. Hatte er Feinde, die sich aus Rache zu einer so gräßlichen Tat hätten hinreißen lassen können?«
Abt Erc war
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