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Tod vor der Morgenmesse

Tod vor der Morgenmesse

Titel: Tod vor der Morgenmesse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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eine annehmbare Sitzhaltung gefunden, als |120| die Tür aufging und Bruder Benen mit hochrotem Gesicht wieder herauskam. Die Situation war ihm peinlich, und er brachte es nicht über sich, Fidelma anzusehen.
    »Er wird dich empfangen, Schwester. Er tut es gegen seinen Willen. Den angelsächsischen Bruder aber läßt er nicht ein. Darauf besteht er.«
    Fidelma erhob sich langsam.
    »Dann sag bitte Bruder Eadulf, er möchte hier auf mich warten.« Sie wußte, wann der Moment für einen Kompromiß gekommen war. Es ging ihr um Auskünfte über die verzwickten Verhältnisse in der Abtei und nicht darum, dem widerborstigen Alten ihren Willen aufzuzwingen.
    Der Ehrwürdige Mac Faosma war tatsächlich bejahrt, aber nicht gebrechlich. Er war ein durchaus kräftiger Mann mit vollem schneeweißem Haar und fleischigem, rosigem Gesicht. Wäre ihm ein Lächeln vergönnt gewesen, hätte man seine Züge als engelhaft beschreiben können, doch sie waren streng, und tiefe Furchen in der Stirn verstärkten diese Wirkung. Der eigentlich rundliche Mund wirkte gereizt, und die Unterlippe war herausfordernd vorgeschoben. Die Augen hatten eine seltsam blasse Färbung, wechselhaft wie das Meer, mal grün, mal blau, dann wieder farblos. Die große Gestalt saß in einem geschnitzten Eichenstuhl neben einer gewaltigen Feuerstelle, in der ein Torffeuer glimmte.
    Unter struppigen weißen Augenbrauen verfolgte sein Blick Fidelmas Bewegungen, die quer durch den Raum auf ihn zukam. Er machte keinerlei Anstalten, sich zu erheben, wie es angesichts ihres Ranges die Gepflogenheiten verlangt hätten.
    Fidelma ließ sich ihre Empfindungen nicht anmerken, ging zu einem Stuhl auf der anderen Seite des Kamins und nahm Platz.
    |121| Der alte Mann gab einen leisen, aber langen Pfeifton von sich.
    »Du vergißt dich, Schwester.«
    Er hatte eine tiefe Stimme, mit der man Studenten gut herumkommandieren und abfragen konnte, eine Stimme, die durch den ganzen Raum hallte.
    Fidelma ließ sich nicht einschüchtern.
    »Ich bin Fidelma von Cashel, Schwester des Königs Colgú,
dálaigh
im Range eines
anruth
. Was meinst du, hätte ich vergessen?«
    Sie war im Tonfall verbindlich geblieben, aber die Zurechtweisung war unmißverständlich. Den Ehrwürdigen Mac Faosma hatte sie daran erinnert, daß sie nicht eine einfache Nonne, sondern die Schwester eines Königs war und eine Stellung innehatte, die ihr das Recht gab, sich selbst in Gegenwart von Stammesfürsten zu setzen, ohne zuvor um Erlaubnis zu bitten. Gleichzeitig hatte sie ihm damit bewußt gemacht, daß es seine Pflicht gewesen wäre, sich zu erheben, als sie den Raum betrat.
    Der Ehrwürdige Mac Faosma räusperte sich – ob mehr, um seine Verärgerung oder eher sein peinliches Berührtsein zu verbergen, blieb dahingestellt.
    »Ich wüßte nicht, was ich mit dir zu besprechen hätte, Fidelma von Cashel«, sagte er schließlich.
    »Macht nichts, dafür liegt mir am Herzen, etwas mit dir zu besprechen, Ehrwürdiger Mac Faosma«, erwiderte sie ruhig.
    »Nichts vermag den Geist eines Mannes mehr zu beeinträchtigen als die Schmeicheleien einer Frau«, entgegnete er bissig.
    Fidelma wußte nicht, wie ihr geschah, faßte sich aber rasch und war im Begriff, ihn verärgert in die Schranken zu weisen, als er die Hand hob, die Handfläche zu ihr gekehrt, als wollte er sie versöhnlich stimmen.
    |122| »Ich habe nur die weisen Worte des heiligen Augustinus von Hippo zitiert; seiner Auffassung nach können wir nur in rechter Weise die Gebote unseres Glaubens beherzigen, wenn wir uns nicht näher mit Frauen einlassen.«
    »Ich bin mir dieser Art Lehren wohl bewußt«, erwiderte Fidelma und versuchte ihren Ärger hinunterzuschlucken. »Trotzdem bleibt es eine Tatsache, daß die Mehrheit der Priester hier und auch in Gallien und im Lande der Franken eine Ehe eingegangen sind. War es nicht Pelagius, der zweite dieses Namens unter den Päpsten, der vor einem knappen Jahrhundert verkündete, daß es nicht abträglich ist, wenn Mönche heiraten, solange sie nicht ihren Frauen oder Kindern Kirchenbesitz übereignen? Die Vererbung von Besitz ist der entscheidende Punkt. Allein darauf ist der Gedanke zurückzuführen, daß Männer und Frauen, die sich für eine dem Gotteslob gewidmete Lebensführung entscheiden, sich nicht aneinander binden und Kinder haben sollten.«
    Ihr kühner Vorstoß wurde mit einem geringschätzigen Blick gestraft.
    »Dennoch wächst unter uns die Zahl derer, die glauben, daß Licht und Geist das Gute,

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