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Tod vor der Morgenmesse

Tod vor der Morgenmesse

Titel: Tod vor der Morgenmesse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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ihre zuletzt gemachte Bemerkung nicht einzugehen.
    »Also gut. Cináed verfaßte eine Streitschrift, in der er die Häuptlinge der Uí Fidgente beschimpfte, sie hätten – so seine Behauptung – ihre wahre Abstammung als Dáirine verleugnet, indem sie verbreiteten, sie seien Dál gCais, Nachkommen von Cormac Cas, Bruder des Eoghan Mór … Ich gehe doch recht in der Annahme, daß du als eine Eoghanacht die Geschlechterfolge eurer Sippe kennst. Cináed vertrat die Meinung, die Stammesfürsten seien verpflichtet, Cashel die Treue zu halten und die Könige aus dem Sippenverband der Eoghanacht anzuerkennen, anstatt sie entmachten zu wollen.«
    Fidelma lachte amüsiert. »Für mich als Eoghanacht klingt das sehr vernünftig.«
    »Für einen Uí Fidgente ist das Verrat«, gab der Ehrwürdige Mac Faosma verbissen zurück.
    »Das würde ich nicht so sehen. Seit Eoganán seine Stammesgenossen zur Rebellion aufgerufen hat und gegen Cashel zu Felde gezogen ist, haben sich die Zeiten geändert.«
    »Unser König«, fing er mit Betonung der Worte an, »unser König Eoganán rief zum Aufstand, um sich der Bedrückung durch Cashel ein für allemal zu entledigen.«
    »Und fand sein Ende im Kampf bei Cnoc Aine. Die Zeit schreitet voran und bringt neue Einsichten. Der gegenwärtige Stammesfürst hat Frieden mit Cashel geschlossen, und seine Wahl Conrís zum Kriegsherrn ist ein Beweis dafür, daß wir ein neues Miteinander aufbauen und gemeinsam in Frieden leben können.«
    »Das bleibt abzuwarten«, schnaubte der Alte wütend.
    »Du hast dir also Cináeds Buch ausgeliehen, das in seiner Aussage für unsere heutige Zeit eine Bereicherung wäre. |129| Wieso gerade jetzt? Es wurde bereits vor einiger Zeit geschrieben, und du hast es bestimmt schon früher gelesen.«
    »Weshalb wohl sucht ein Scholar das Buch eines anderen Scholaren zur Hand zu nehmen?«
    »Vielleicht verrätst du es mir.«
    »Ich bin gegenwärtig dabei, eine Richtigstellung seiner Behauptungen zu schreiben. Ich widerlege ihn und weise nach, daß die Uí Fidgente wahre Nachkommen von Cas, Bruder des Eoghan Mór, sind und folglich als Blutsverwandte die wahren Könige von Cashel.«
    »Du befürwortest also immer noch die Rebellion der Uí Fidgente?« Fidelmas Augen wurden schmal.
    »Du magst es Rebellion nennen, ich nicht. Du hast vorhin gesagt, Fidelma von Cashel, daß ich der Wahrheit verpflichtet bin. Wie die Wahrheit ausgelegt wird, ist nicht meine Sache.«
    »Die Wahrheit, wie du sie siehst«, betonte sie nachdrücklich und fuhr dann fort: »Ich würde das Buch gerne einmal sehen, Cináeds Buch, das du dir aus der Bibliothek hast holen lassen.«
    Einige Augenblicke saß der Gelehrte schweigend da. Fidelma glaubte schon, sein Schweigen als Ablehnung auffassen zu müssen. Doch plötzlich hob er den Kopf.
    »Bruder Benen!« rief er.
    Die Tür ging auf, und der Novize trat ein.
    »Geh in meine Studierstube und hole das Buch von Cináed; es liegt auf meinem Lesepult. Bring es her.«
    »Wie du wünschst, Ehrwürdiger Mac Faosma.«
    Beflissen verließ er den Raum, um den Auftrag zu erledigen, und der Alte wandte sich wieder Fidelma zu.
    »Danach läßt du mich hoffentlich in Frieden?«
    »Nichts in unserem Leben gilt als sicher, Ehrwürdiger Mac |130| Faosma«, erwiderte sie ruhig. »Ich muß meinen Weg bis zur Klärung dieses mysteriösen Vorfalls gehen, egal, wohin er mich führt und wem ich dabei begegne.«
    Wieder grunzte der Alte verächtlich. »Ich will mit dir ehrlich sein …«, begann er.
    »Ich vertraue darauf, daß du von Anfang an mit mir ehrlich warst«, versetzte sie.
    »Ich will dir offen gestehen, ich weine Cináed keine Träne nach. Entweder war er ein Narr oder, was ich eher annehme, ein Abtrünniger, ein Renegat und Schuft. Ohne solche Unruhestifter ist die Welt besser dran.«
    Fidelma blickte ihn prüfend an. »Derartige Ansichten können leicht auf die zurückfallen, die sie äußern«, sagte sie verhalten.
    »Du wolltest ja Ehrlichkeit«, verteidigte er sich sarkastisch.
    »Gut. Du bist ehrlich gewesen. Bleibe es weiterhin und beantworte mir folgendes: hast du persönlich oder auch nur als Drahtzieher im Hintergrund – mit Rede oder Tat – bei Cináeds Tod die Hand mit im Spiel gehabt?«
    Zum ersten Mal kicherte der alte Mann. Es war ein trockenes, krächzendes Geräusch.
    »Wenn das der Fall gewesen wäre, glaubst du, ich würde es sagen? Tugendhaftigkeit hat Grenzen, Schwester Fidelma. Wenn jeder ehrlich wäre, brauchten wir dann

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