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Tod vor der Morgenmesse

Tod vor der Morgenmesse

Titel: Tod vor der Morgenmesse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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vollständig vernichtet war. Ein paar versengte Blätter waren das einzige, was geblieben war, aber auch auf denen war bis auf einige wenige Wörter an vereinzelten Stellen nichts mehr zu entziffern.
    »Es gibt drei Türen hier. Sind alle stets verschlossen?«
    »Zu der Tür, die nach draußen führt, hat mein Gehilfe einen Zweitschlüssel. Die Tür zwischen meinem Zimmer und diesem Raum läßt sich nur in meinem Zimmer von innen verriegeln, so daß von hier aus kein Zugang besteht. Die Tür dort drüben« – er wies auf die dritte Tür – »geht auf den Innenhof, wo ich an Sommertagen gelegentlich sitze. Sie wird mit einem Schlüssel von innen verschlossen gehalten. Von dort hat also auch niemand Zutritt.«
    |134| »Und den anderen Schlüssel zur Tür nach draußen hast du?«
    »Ich denke, schon.« Er runzelte die Stirn. »Wie dem auch sei, mich regt das Ganze nicht weiter auf. Es ist das Beste, was passieren konnte, wenn das Buch mit den schändlichen Anspielungen und Vorurteilen vernichtet ist. Ich für mein Teil bejammere es nicht als Verlust.«
    Fidelma lag eine scharfe Erwiderung auf der Zunge, sie besann sich aber eines Besseren und sagte statt dessen: »Mir geht es immer zu Herzen, wenn ein Manuskript rettungslos verdirbt. Schließlich geht uns damit menschliches Gedankengut und Wissen verloren.«
    Abermals setzte der Ehrwürdige Mac Faosma eine spöttische Miene auf. »Aus deiner Bemerkung darf ich wohl schließen, daß du auch Kritik an unserem geliebten Patrick anzumelden hast, dem wir so viel verdanken?«
    »Inwiefern?«
    »Eine Person wie du, die auf einen hohen Bildungsstand Wert legt, dürfte über das Leben und Wirken von Patrick, so wie es sein Schüler und Nachfolger, der heilige Benignus, beschrieben hat, gelesen haben.«
    Fidelma lächelte matt.
    »Du spielst auf die Stelle an, in der Benignus zugibt, daß Patrick einhundertachtzig Bücher der Druiden verbrannt hat, weil sie unchristlich waren. Ja, ich bedaure die Vernichtung der Schriften, denn wer weiß, welche Kenntnisse – ob christlich oder nicht – wir aus ihnen hätten schöpfen können? Wieviel Wissen ist uns verlorengegangen, nur weil sich irgend jemand dagegen stemmte. In einer gesitteten Welt ist Raum für jegliche Weisheit; letzten Endes wird die Wahrheit über alle Vorurteile triumphieren. Wenn wir diese Zuversicht nicht haben, können wir uns gleich aufgeben.
    |135| Bei den letzten Sätzen war sie etwas heftig geworden, was für Mac Faosma unerwartet kam.
    »Schon gut, du darfst für dich durchaus beanspruchen, mit der philosophischen Betrachtung der Dinge vertraut zu sein.«
    Fidelma machte eine abwehrende Handbewegung. »Ich nehme für mich lediglich in Anspruch als das zu gelten, was ich bin, und ich bin völlig zufrieden mit dem, was ich bin. Selbst wenn dich die Vernichtung der Handschrift nicht sonderlich rührt – immerhin hält auch Bruder Eolas, dein eigener
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sie für ein wertvolles Werk –, so bin ich überzeugt, daß Abt Erc ihre Verbrennung als ein Verbrechen betrachten wird.«
    »Und wie ich dich kenne, wirst du nicht davon ablassen, mich in meiner Ruhe und meinen Studien zu stören, um besagtes Verbrechen zu untersuchen«, höhnte der Alte. »Ich werde mich beim Abt beschweren, muß darauf achten, daß meine Rechte gewahrt bleiben.«
    »Ob in Wort oder Tat, deine Rechte mißachtet habe ich in keiner Weise, Ehrwürdiger Mac Faosma. Eher wurde mir nicht die gebührende Achtung erwiesen, weder als
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noch als Schwester von König Colgú, in dessen Reich du lebst. Offensichtlich hast du die Rechte und Pflichten, die du dem Gesetz schuldest, vergessen, doch will ich mit Rücksicht auf dein Alter nicht auf Wiedergutmachung bestehen.«
    Dem alten Mann klappte die Kinnlade herunter, als er sie so direkt und in scharfem Ton reden hörte. Bevor er zu einer Antwort imstande war, hatte sie sich schon zum Gehen gewandt und strebte der Tür zu, die in den Vorraum führte und die Bruder Benen in seiner Hast offen gelassen hatte.
    Sie schloß die Tür hinter sich und sah sich Eadulf und Conrí in Begleitung des abgespannt wirkenden Abts gegenüber, die auf sie zugeeilt kamen.
    |136| »Wie ich höre, erhebst du Beschwerde, weil der Ehrwürdige Mac Faosma dich nicht zu empfangen wünscht, Schwester«, fing der Abt sofort an. »Das ist sein gutes Recht, mußt du wissen, und …«
    Fidelma blieb stehen. »Ich habe den Ehrwürdigen Mac Faosma gesehen und befragt«, klärte sie den Abt auf. »Zudem hat sich

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