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Tod vor der Morgenmesse

Tod vor der Morgenmesse

Titel: Tod vor der Morgenmesse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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über ihnen.
    »Solche Wolken bezeichnen wir bisweilen als Pferdeschweife«, erklärte Fidelma, »daß heißt, wir bekommen möglicherweise schlechtes Wetter. Aber wenn schon. Wir haben hier noch genug zu tun.«
    Der junge Kriegsherr zeigte sich überrascht, und Fidelma faßte kurz zusammen, was sie von Schwester Buan erfahren hatte.
    Abfällig zischte er durch die Zähne.
    »Ich kann mir nicht vorstellen, daß die Ermordung meiner Tante und die des Ehrwürdigen Cináed etwas miteinander zu tun haben.« Er winkte ab. »Hältst du einen Zusammenhang ernsthaft für möglich?«
    »Ganz von der Hand zu weisen ist der Gedanke nicht«, erwiderte Fidelma. »Fest steht jedenfalls, daß man uns hier zwar nicht direkt belügt, uns aber auch nicht die volle Wahrheit sagt. Und da stellt sich die Frage – warum?«
    Dem hatte Conrí nichts entgegenzusetzen. »Und was willst du jetzt tun?«
    »Als nächstes gedenke ich Schwester Sinnchéne zu befragen.«
    |164| »Soll ich dich begleiten?«
    Fidelma zögerte einen Augenblick, schüttelte dann aber entschieden den Kopf.
    »Vielleicht ist es besser, wenn keiner von euch beiden mitkommt. Meine Fragen könnten an Dinge delikater Natur rühren, so etwas macht sich von Frau zu Frau leichter. Die Gegenwart eines Mannes könnte eher hinderlich sein.«
    »Einverstanden. Wenn du mich nicht anderweitig brauchst, würde ich inzwischen mal in die Kirche schauen wollen«, bekannte Eadulf. »Ein Klosterbruder hat mir erzählt, daß dort eine Chorprobe stattfindet. Die würde ich mir gern anhören.«
    »Ich könnte dich begleiten, Bruder Eadulf«, bot sich Conrí an. »Ein bißchen kenne ich die Sänger.«
    Man trennte sich. Fidelma machte sich auf den Weg zum
tech-nigid,
und die Männer strebten der Hauptkirche auf dem Klostergelände zu. Sie konnten den
clais,
den Chor der Mönche, schon von weitem hören; seine Stimmen einten sich zu einem Gesang, der in Eadulfs Ohren aufbegehrend kriegerisch klang. Ein hohes Gewölbe bedeckte das Kirchenschiff; sie traten ein und zogen sich unauffällig in den hinteren Teil des Raumes zurück. Der
clais
war ein reiner Männerchor; der Chorleiter arbeitete mit vollem Körpereinsatz, konzentriert und hingebungsvoll und zog die Sänger in seinen Bann. Sie steigerten sich merklich.
    Regis regum rectissimi
    prope est dies Domini
    dies irae et vindictae
    tenebrarum et nebulae.
    Eadulf lauschte dem ungewöhnlichen Rhythmus des – wie ihm vorkam – gallischen Gesangs. Die schwungvolle Melodie, die langen Tonfolgen auf nur einer Silbe entsprachen so gar nicht |165| den lateinischen oder den klagenden Gesängen Iberiens. Die Melodien der gallischen Gesänge hatten sich unter den Galliern entwickelt, deren Sprache der der Bretonen, ihrer Nachbarn, sehr ähnlich war. Als sich dann das Christentum nach Irland ausbreitete, übernahm die frühe irische Kirche von den Galliern deren Formen geistlicher Musik, auch wenn sie sie ein wenig mit eigenen Traditionen mischte. Eadulf konnte die lateinischen Worte verstehen und nachempfinden. Die Geisteshaltung, die sie zum Ausdruck brachten, war der seiner eigenen angelsächsischen Kriegsgesänge nicht unähnlich.
    Tag des rechtmäßgen Königs,
    Nah ist der Tag unseres Herrn,
    Tag des Zorns und der Rache,
    Die Schlacht ist nicht mehr fern.
    Der Chor sang mehrere andere Strophen mit ähnlicher Melodie und Stimmführung und wiederholte zum Abschluß noch einmal die anfängliche, martialisch anmutende Lobpreisung. Zum Abschluß der Probe erteilte der Cantor den Sängern den Segen, sie erhoben sich und gingen. Conrí machte sich bemerkbar und schritt auf den Gesangsmeister zu. Es war ein großer Mann mit schmalem Gesicht. Mit den dunklen Augen, dem glatten Haar und der bräunlichen Haut wirkte er irgendwie unzugänglich. Auffallend war, daß er ein silbernes Kruzifix an einer Halskette trug, und die bestand aus farbigen Steinen, abwechselnd gelb und grün. Eadulf hielt sie für buntfarbige Karfunkel.
    »Ich möchte dir Bruder Cillín vorstellen, den
stiúirtheóir canaid
«
,
sagte Conrí, als er mit ihm zu Eadulf zurückkam. »Bru der Cillín, das ist Eadulf von Seaxmund’s Ham.«
    Der Cantor verbeugte sich, hob dann den Kopf und beäugte Eadulf argwöhnisch.
    |166| »Ich habe von deinem Besuch gehört, Bruder Eadulf, frage mich nur, was den Begleiter der Schwester des Königs von Muman in unsere Chorprobe führt.«
    »Musik ist Balsam für die Seele und ein Hochgenuß für jedermann«, erwiderte Eadulf.
    »Keineswegs für

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