Tod vor der Morgenmesse
dir für später auf; noch habe ich nichts in der Sache getan. Aber darum bemühen werde ich mich. Die nächsten Tage bin ich unterwegs, doch du brauchst keine Angst zu haben, ich kehre zurück und werde deine Stellung in der Abtei klären. Auch die Hintergründe für den Mord an deinem Ehemann wollen wir aufdecken.«
Draußen blieb Fidelma stehen und sah Eadulf an, der gegen Ende der Unterredung auffallend still geworden war.
»Du scheinst irgendwie beunruhigt.«
Eadulf, der immer noch grübelte, hob den Kopf.
»Beunruhigt? Hm, eigentlich habe ich nur so ein merkwürdiges Gefühl, daß ich Schwester Buan schon mal früher begegnet bin. Wenn ich nur wüßte, wo. Das irritiert einen, du spürst, es juckt irgendwo, du möchtest dich kratzen und findest nicht die rechte Stelle.«
|161| Fidelma lächelte nachsichtig.
»Jedenfalls finde ich Schwester Buan höchst interessant.«
»Inwiefern ›interessant‹?«
»Wegen der Fülle an Auskünften, die über ihre Lippen kamen. Im Vergleich zu der Mauer, die alle anderen vor uns aufgetürmt haben, vom Abt bis zur Ärztin, vom Verwalter bis zum Ehrwürdigen Mac Faosma war das enorm. Keiner hat uns so bereitwillig Auskunft erteilt wie sie. Und wie sie mitgehörte Gespräche wiedergegeben oder den angebrannten Zettel ausgelegt hat … Das war verblüffend genau und überzeugend. Die Frage ist nur: Warum? Warum waren alle anderen darauf bedacht, uns so wenig wie möglich zu verraten?«
»Vielleicht, weil sie etwas zu verbergen haben?« rätselte Eadulf.
»Oder Schwester Buan will uns auf eine falsche Fährte bringen«, mutmaßte Fidelma scharfsinnig.
»Ich glaube nicht, daß sie klug genug ist, ein so falsches Spiel zu treiben.«
»Du solltest die Klugheit einer Frau nicht unterschätzen«, mahnte ihn Fidelma.
»Das würde ich nie und nimmer tun. Wenn ich sonst nichts gelernt hätte in den letzten Jahren, so auf jeden Fall das. Könnte es vielleicht sein«, fuhr Eadulf fort, »daß hier eine sonderbare Verschwörung im Gange ist? Was mag Cináed so geängstigt haben?«
»Wenn es sich tatsächlich um eine Verschwörung handelt, dann hätte der Abt, falls er darin verstrickt ist, Conrí nicht nach Cashel reiten und uns holen lassen, damit wir Nachforschungen anstellen.«
»Du vergißt, daß er nicht ahnen konnte, wen Conrí in die Abtei bringen würde. Doch ich gebe dir recht – daß wir uns |162| mit den Umständen von Cináeds Tod befassen, hat Abt Erc nicht gewollt.«
»Die Lage ist reichlich verworren«, pflichtete Fidelma ihm bei. »In jedem Fall müssen wir mit der Befragung von neuem anfangen und dabei das nutzen, was wir von Schwester Buan erfahren haben.«
»Könnte sie das nicht in Gefahr bringen?«
Sie überhörte den Einwand. »Als nächstes werden wir mit Schwester Sinnchéne reden. Wenn Schwester Buans Anschuldigungen nicht aus der Luft gegriffen sind, dann ist sie eine der Verdachtspersonen.«
»Nach dem, was du mir über Mac Faosmas Haltung erzählt hast, tendiere ich zu der Auffassung, daß die Verbrennung von Cináeds Buch zu seinen Lasten geht. Insofern könnte er ebenso den Tod seines Widersachers auf dem Gewissen haben. Selbst wenn er nicht persönlich Hand angelegt hat, hätte er durchaus andere damit beauftragt haben können – zum Beispiel diesen Bruder Benen. Für mich ist der Verdächtige der Ehrwürdige Mac Faosma.«
Fidelma lächelte gequält.
»Vielleicht erweist sich deine Mutmaßung als zutreffend. Jedenfalls haben wir es hier mit einem Knäuel von Widersprüchen zu tun, den wir entwirren müssen. Zumindest haben wir nun dank Schwester Buan einige Fäden an der Hand, die wir hoffentlich am richtigen Ende zu fassen bekommen.«
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KAPITEL 8
Conrí brachte Fidelma und Eadulf die Nachricht, daß Mugrón, der Kaufmann, zugesagt hatte, sie bei günstiger Witterung am nächsten Morgen über die Meerenge ins Gebiet der Corco |163| Duibhne mitzunehmen. Die Gewässer in Küstennähe galten als unberechenbar, und es war verständlich, daß er bei schlechten Wetterbedingungen die Überfahrt nicht riskieren würde. Zunächst aber standen die Vorzeichen günstig, erfahrungsgemäß folgten dem Sturm, wie sie ihn gerade erlebt hatten, Nässe und Regen, meist legte sich der Wind, und die Temperaturen stiegen an.
»Eigentlich müßte es morgen schön werden«, meinte Conrí, »aber mit Sicherheit läßt sich das nie sagen.«
»Wieso hast du Bedenken?« fragte Eadulf.
Conrí wies zum Himmel. Zerfaserte Wolkenfetzen schwebten hoch
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