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Tod vor der Morgenmesse

Tod vor der Morgenmesse

Titel: Tod vor der Morgenmesse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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entrüstet darüber gewesen sein, sonst hätte sie sich nicht geweigert, Sinnchéne mit auf die Pilgerfahrt ihrer Nonnen zu nehmen. Offenbar hatte das Mädchen sich darum beworben. So gesehen, hat unsere junge Schwester Glück gehabt, sonst wäre sie wie die anderen jetzt verschollen … oder tot.«
    Fidelma drehte sich zu Eadulf um und wollte ihm etwas sagen, doch er hielt den Blick starr auf den Horizont gerichtet und war aschfahl im Gesicht. Sie hatte vergessen, wie leicht er seekrank wurde. So wendete sie sich wieder dem Kapitän zu.
    »Bist du dir sicher, gehört zu haben, daß der Äbtissin das Verhältnis mißfiel? Warum sollte sie Cináed verteidigen, aber Sinnchéne verdammen?«
    »Vielleicht wußte sie, wer der schuldigere Teil war?«
    »Ich habe den Eindruck, wir konzentrieren uns zu sehr auf die Zwietracht zwischen Sinnchéne und Buan«, meldete sich Eadulf zu Wort, der einen Moment die Horizontlinie außer acht ließ. »Wenn es so war, wie behauptet wird, daß beide Cináed liebten, ihm beide in Liebe zugetan waren, warum sollten sie ihn dann ermorden? In der Situation hätten sie doch eher aufeinander losgehen und sich gegenseitig umbringen müssen.«
    »Aus dir spricht der Pragmatiker. Du hast durchaus recht, das wäre die logische Schlußfolgerung gewesen. Aber wann haben Mörder sich schon hingesetzt und ihre Pläne gründlich durchdacht? Selbst beim kaltblütigsten Mord muß dem Täter etwas Unlogisches unterlaufen, denn er ist auf dem Irrweg, wenn er glaubt, jemanden zu töten, würde ein Problem lösen. In Wirklichkeit wird das Problem dadurch nur verschärft, und jede Hoffnung auf eine Lösung schwindet.«
    |219| Eadulf schaute jetzt unverwandt auf die Inselgruppe, der sie sich näherten. Mugrón nahm die Hand vom Ruder und wies auf den Landstreifen vor ihnen.
    »Das da vorne, die Landzunge, das ist Rough Point. Wir fahren in weitem Bogen drum herum. Die Gezeitenströme können dort gerade an einem Tag wie heute sehr tückisch sein.«
    Unmittelbar vor ihnen waren jetzt die Inselgruppe im Norden und einige Inselchen deutlich zu erkennen. Eadulf spürte, wie das Schiff leicht ins Schlingern kam, und blickte Mugrón fragend an. Der stand breitbeinig auf den Deckplanken, seine gedrungene Gestalt strahlte Selbstsicherheit aus, die Hände ruhten fest auf der Ruderpinne. Mit einem aufmunternden Lächeln besänftigte er seinen besorgten Passagier.
    »Nicht umsonst heißt die Stelle hier ›Rough Point‹. Nur keine Angst, die Flut läuft sachte auf. Die See wird hier sehr grob, wenn ein Westwind bläst und sich hohe Wogen gegen die Ebbströmung stauen. Dann jagt die Tide kräftig durch die nordwärts gelegenen Inseln.« Mit ruckartiger Kopfbewegung wies er auf die rundlichen Erhebungen in der Ferne. »Ich steuere das Schiff jetzt um diese Landzunge herum in ruhige Gewässer.«
    Conrí war inzwischen zum Heck zurückgeklettert, wo die anderen saßen, und stellte den Krug mit dem wärmenden, kräftigen Gebräu in den Holzkasten. Er richtete sich auf, blieb stehen und kniff die Augen zusammen.
    »Da kommt ein Segel genau auf uns zu«, rief er zu Mugrón hinüber.
    Fidelma und Eadulf schauten in die Richtung, die er andeutete.
    »Von woher?« fragte der Kaufmann und ließ die Augen nicht vom Bug, weil er eben dabei war, das Schiff auf einen neuen Kurs zu bringen.
    |220| »Genau nordwärts von uns. Kommt geradewegs von der Seanach-Insel.«
    »Ah, das wird wohl ein Handelsschiff von den Corco Duibhne sein, hat die fromme Bruderschaft versorgt und segelt zurück zum Festland.«
    Conrí beschattete die Augen. »Glaube ich nicht. Dem Umriß nach sieht es eher aus wie ein
laech-lestar,
aber nicht wie ein Handelsschiff.«
    Fidelma war aufgestanden, um besser sehen zu können.
    Auch Mugrón, der das Rudermanöver bewerkstelligt hatte, stierte angestrengt nach Norden auf das herankommende Segel.
    »Ein
laech-lestar
? Was ist das?« fragte Eadulf.
    »Ein Kriegsschiff«, erklärte Fidelma kurz.
    »Seine Segel stehen prall im Wind, es wird uns bald eingeholt haben. Wer könnte das sein?« Fidelma klang besorgt. »Etwa Uí Néill?« fragte sie. Es hatte etliche Kriege mit den Uí Néill von Ulaidh gegeben, die ihr Herrschaftsgebiet von Norden her ausdehnen wollten.
    Mugrón schüttelte den Kopf. »Wir sind hier zu weit südlich. Die Uí Néill werden nicht mitten im Winter in dieser Gegend einen Raubzug unternehmen.«
    »Das Boot steht voll unter Segel«, bemerkte Conrí. »Der Kapitän hat offensichtlich vor, unseren

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