Tod vor der Morgenmesse
Met, wenn ihr das vorzieht?« Sofort winkte er einem Bediensteten und wollte keine Ablehnung gelten lassen.
Er forderte sie auf, sich um das Feuer zu setzen, das in der Mitte der Halle auf der runden Herdstelle prasselte.
»Es ist mir eine Ehre, der Tochter von Failbe Flann meine Gastfreundschaft anzubieten. In deinem Wesen ist etwas, das mich an ihn erinnert, Fidelma von Cashel«, plauderte er munter drauflos und warf die silbergraue Mähne zurück.
Fidelma machte große Augen. »Du kanntest meinen Vater?«
»Ob ich Failbe Flann kannte?« Er stieß einen gewaltigen Lacher aus. »Habe ich nicht an seiner rechten Seite in der Schlacht von Áth Goan gekämpft, als wir die Scharen des Königs von Laigin schlugen? Ich habe zusammen mit ihm bei Carn Feradaig gekämpft, wo wir den anmaßenden Misthund Guaire Aidne in die Flucht schlugen und seine Verbündeten von den Uí Fidgente wie geprügelte Hunde mit eingezogenem Schwanz zu ihren Müttern zurück nach Connacht jagten. Das waren Zeiten damals, da waren die Eoghanacht von den Thronansprüchen ihrer Nachbarn bedroht. O ja, großartige Zeiten waren das, da haben wir unsere Herrschaft noch mit Schwertern und Streitäxten ausgeübt.«
Besorgt blickte Fidelma zu Conrí, doch der Kriegsherr der Uí Fidgente verzog keine Miene.
»Die Schlacht bei Carn Feradaig fand vor vierzig Jahren statt«, bemerkte sie und betrachtete Slébéne eingehend, hätte gern gewußt, wie alt er war.
|235| »Ich war ein junger Kerl damals«, erwiderte der Fürst lächelnd. »Jung und versessen auf den Kampf. Aber Alter und Fürstenwürde lassen Weisheit reifen. Das Schwerste am Altwerden ist, daß du die kampfesmutigen jungen Unerfahrenen an deiner Statt in die Schlacht schickst. Es ist schon seltsam, das Leben. Die Jungen sind nicht gewillt zu glauben, daß auch sie alt werden, und die Alten wollen nicht glauben, daß am Ende der Tod steht. Ich glaube, ich werde ewig leben.«
Eadulf lächelte schwach.
»Grave senectus est hominibus pondus«,
zitierte er.
Zu seiner Verwunderung hatte Slébéne den lateinischen Spruch verstanden und schlug sich lachend auf die Schenkel. »Alter ist wirklich eine schwere Bürde, Bruder Angelsachse. Nur wiegt das Gestöhne der Alten oft schwerer als die Bürde.«
»Bei anderer Gelegenheit würde ich mich gern mit dir über meinen Vater unterhalten«, sagte Fidelma. »Gegenwärtig aber bleibt uns nicht viel Zeit …«
»Ah ja, Geduld war auch nicht Failbe Flanns starke Seite. Nichts für ungut. Wir können heute abend beim Festmahl weiter über ihn reden. Der Tag neigt sich bereits seinem Ende zu. Das ist eben der Fluch eines Wintertags. Was immer du mit mir zu besprechen hast, unser Mahl soll das nicht verderben, denn das steht für mich fest: du bleibst wenigstens über Nacht hier.«
Sie dankte ihm für die Gastfreundschaft und erzählte ihm dann von der Begegnung mit dem Kriegsschiff.
Mit ungläubiger Miene hörte sich der Fürst die Geschichte an. Als sie zum Ende kam, warf er die wallende Mähne zurück und lachte auf, daß es von den Wänden widerhallte.
»Ein Seeräuber, und das in meinem Gebiet! Es gibt Schlimmeres. |236| Mit den Burschen sind wir noch jedesmal fertig geworden, bei den Feuern des Bel! Sehr bald wird es einen Piraten weniger geben, der die Handelsleute bedroht!«
Eadulf zuckte ein wenig bei dem heidnischen Schwur und sah verstohlen zu Fidelma. Die gab sich völlig gelassen. Sie wußte, daß im Stammesgebiet der Corco Duibhne noch längst nicht alle zum Neuen Glauben bekehrt waren, trotz der auffälligen Kirchen in der Ansiedlung vor der Festung.
»Wir sind in Sorge um die Gemeinschaft der Einsiedler auf der Seanach-Insel, Slébéne«, hub Fidelma mit ernster Miene an und neigte sich etwas näher zu ihm. »Deinen Statthalter Duinn schien das nicht zu kümmern, als wir ihm unsere Besorgnis vortrugen. Er meinte lediglich, es läge in deiner Hand, nur du könntest entscheiden, ob man ein Schiff hinüberschickt oder nicht, um zu erkunden, wie es den Ordensleuten auf der Insel geht.«
Slébéne strich sich den Bart und lächelte. »Duinn geht mit Vorsicht zu Werke. Aber deine Sorge ist unbegründet. Niemand würde sich an einer Gruppe Einsiedler vergreifen, und schon gar nicht an denen, die sich zum Neuen Glauben bekennen. Auf Duinn kann man sich verlassen, er braucht nur klare Anweisungen. Von sich aus würde er nicht auf die Idee kommen, etwas zu unternehmen, selbst wenn die Umstände es erforderten.« Er schaute hinüber zu Conrí.
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