Tod vor der Morgenmesse
brüllendes Gelächter aus und schlug sich mit der Hand aufs Knie.
»Ein Hund kennt seine Flöhe, Fidelma«, entgegnete er und konterte so Conrís Sprichwort mit einer anderen Redewendung. »Ich bin sicher, der Kriegsherr der Uí Fidgente versteht, daß keinerlei Absicht bestand, ihn oder seine Männer zu kränken.«
»Also wird auch keine Kränkung empfunden«, bestätigte Conrí knapp.
»Das habt ihr gut gesagt«, fügte Fidelma, die Wogen glättend, hinzu. »Doch auf eins laß mich noch hinweisen. Ich halte es für eine Leichtfertigkeit, wenn du glaubst, die frommen Ordensleute auf der Insel seien keiner Gefahr ausgesetzt.«
»Leichtfertigkeit?« fragte Slébéne nun ernst. »Was meinst du damit? Könntest du etwas deutlicher werden?«
»Es bringt uns auf den eigentlichen Anlaß unseres Hierseins zurück – die Ermordung der Äbtissin Faife und das Verschwinden |240| der Nonnen, die auf dem Weg zum Bréanainn waren.«
»Ah ja, Äbtissin Faife. Ich war sehr betroffen, als ich davon erfuhr. Wie oft ist sie mit ihrer Schar auf der Pilgerfahrt zum heiligen Berg durch Daingean gezogen! Trauer überkommt mich, sobald ich an sie denke. Aber das hat sich alles in der Gegend der Bergübergänge im Osten zugetragen. Von dort haben uns Berichte über Brandschatzungen und Plünderungen erreicht. Als Uaman der Aussätzige dort herrschte …«
»Hast du deine Krieger ausgesandt, um Nachforschungen anzustellen?«
Slébéne zeigte sich unbeeindruckt von ihrem Ton und schüttelte den Kopf.
»Dazu bestand keine Notwendigkeit. Reisende berichteten mir, daß man den Leichnam der Äbtissin geborgen und nach Ard Fhearta zurückgeschafft hatte. Hast du dich dieser tragischen Umstände wegen aufgemacht und bist hierhergekommen, Fidelma von Cashel?«
»Ich bin hergekommen, um die verschollenen Mitglieder der Ordensgemeinschaft von Ard Fhearta ausfindig zu machen und um zu klären, wer den Tod der Äbtissin zu verantworten hat.«
Den Stammesfürsten schien das nicht sonderlich zu berühren.
»Erst mal seid ihr meine Gäste bei unserem Festgelage heute abend. Ich lasse euch von meinem Haushofmeister dorthin geleiten, sobald alles bereitet ist. Morgen mögt ihr weiterziehen, wohin ihr wollt, und eure Nachforschungen in meinem Stammesgebiet betreiben. Mein Segen und mein Einverständnis sind euch gewiß.«
Es war deutlich, daß er sie entließ. Slébénes muntere Aufgeräumtheit |241| schien verflogen, er gab sich eher mürrisch und verdrossen. Fidelma und ihre Begleiter erhoben sich.
»Sei bedankt«, erwiderte sie würdevoll. »Wie die Dinge nun stehen, werden wir uns zurückziehen und unser Bad nehmen, bevor das Festgelage anhebt.«
Slébéne vom Stamm der Corco Duibhne verstand sich darauf, ein prächtiges Gelage zu veranstalten, das stand außer Frage. Das Festmahl wurde in der großen Halle angerichtet. An die vierzig Gäste hatte man geladen. Offensichtlich waren Fidelma, Eadulf und Conrí an dem Tage nicht die einzigen Besucher in Daingean. Zahlreiche Kaufleute und Stammesobere hatten sich eingefunden, Slébéne ihren Respekt zu bezeugen und ihren Tribut zu entrichten. Ein Würdenträger, der das Amt des
bollscari,
des Zeremonienmeisters, ausübte, wies den Gästen ihre Plätze an den langen, aus Weidenholz gezimmerten Tischen an. Fidelma und ihre Begleiter wurden an die oberste Tafel gesetzt und blickten auf die Reihen der Gäste von minderem Rang. Als alle ihre Plätze eingenommen hatten, blieben an dem Tisch, an dem Fidelma saß, zwei Armsessel frei. Hinter dem einen hatte sich ein breitschultriger, muskelbepackter Mann mit buschig krausem, rotem Haar und Bart aufgebaut. Die Arme hielt er über der Brust verschränkt; sein ganzes Auftreten und seine Ausstaffierung waren die eines Kriegers. Fidelma fiel eine Tätowierung auf seinem rechten Arm auf, ein sonderbares Bild einer Schlange, die sich um ein Schwert wand. Das war völlig gegen den Brauch, denn die jungen Männer von Éireann schmückten sich üblicherweise nicht auf diese Art. Doch nicht dieser ungewöhnliche Körperschmuck war es, der Fidelma störte. Vielmehr verstieß es gegen Sitte und Brauch, daß Krieger in einer Festhalle Waffen trugen. Dieser Mann hatte sich mit Schwert und Dolchen |242| bewaffnet. Sie vermutete, daß er Slébénes
trén-fher
war, sein Waffengefährte und Leibwächter. Dennoch zeugte es von schlechtem Geschmack, Gäste zu einem Festmahl zu laden und sie mit einem bewaffneten Krieger zu konfrontieren, der den Stammesfürsten in der
Weitere Kostenlose Bücher