Tod vor Morgengrauen: Kriminalroman
Ton, dann ging die Innenbeleuchtung des BMW an, während sie einstieg und ihm zuwinkte. Die
Fahrertür knallte, die Beleuchtung erlosch. Er schloss die Tür.
Er ging zum CD-Player und schaltete ihn aus. Sie wusste verdammt noch mal gut über Musik Bescheid.
Domingo
. Ja.
Er würde sie am nächsten Morgen anrufen müssen. Ihr sagen, dass er jeden Tag zu ihr ins Büro kommen wollte, kurz bevor sie
nach Hause fuhr, um seinen Tagesbericht abzuliefern.
Sie durfte nicht mehr hierher kommen.
Oder er würde ihr jeden Abend einen Bericht schreiben und ihr ins Büro bringen.
Das Telefon klingelte.
»Van Heerden.«
»Guten Abend«, hörte er einen Frauenstimme. »Hier ist Kara-An Rousseau. Ich weiß nicht, ob Sie sich noch an mich erinnern.«
Hope Beneke fuhr langsam auf der N7 nach Hause, die Scheibenwischer liefen auf höchster Stufe. Am Nachmittag noch hätte sie
ihn am liebsten umgebracht, am Abend hätte sie ihn nur zu gern in den Arm genommen. Sie biss sich auf die Lippen und beugte
sich über das Lenkrad, um |123| durch den Regen zu spähen. Nun verstand sie. Es war nicht Zorn, den er mit sich herumtrug. Sondern Schmerz. Und Schuld.
Jetzt konnte sie sich von ihm distanzieren. Jetzt, da sie ihn verstand.
Das war alles.
Das war’s.
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|125| Samstag, 8. Juli
Noch fünf Tage
|127| 14
Das Haus war immer voller Bücher. Und oft voller Schriftsteller und Dichter und Leser, die miteinander diskutierten und sich
lebhaft unterhielten — an einem Samstagabend, es war bereits spät, gerieten sich zwei Frauen über Etienne Leroux’
Sieben Tage bei den Silbersteins
in die Wolle und wurden beinahe handgreiflich. Eine Lesung aus den Werken von Wyk Louw mit anschließender Diskussion dauerte
die gesamte Nacht hindurch bis nach dem Mittagessen am Sonntag.
Und in diesen erlauchten literarischen Zirkel trug ich Louis L’Amour.
Ich habe erst spät mit dem Lesen begonnen. Meiner Meinung nach gab es sehr viel interessantere Dinge. Da mir meine Mutter
viele Freiheiten erlaubte, genoss ich neben den üblichen Schulaktivitäten die weniger formellen Jungenspiele (wie viele Banden
gründeten wir!), das Angeln im Vaal River (mit Onkel Shorty, lebenden Grillen, ohne Gewichte), die Erkundung der eingefallenen
Halden des Ostschachts, den ewigen Auf- und Umbau von Schalk Wagenaars Baumhaus.
Dann die Entdeckung der Fotoromane. Gunther Krause las Mark Condor. Takuza. Captain Devil. Mit der Erlaubnis seiner Eltern.
(Seine Mutter las Barbara Cartland und andere dieser Sorte, und sein Vater war nicht oft zu Hause.) An |128| den Samstagmorgen gingen wir zu Don’s Book Exchange, um für Gunther und seine Mutter einen neuen Vorrat zu besorgen, den wir
dann bei ihm zu Hause verschlangen. So ging es bis zur achten Klasse, bis mir bei Don’s ein L’Amour in die Finger geriet,
ich die feurig grünen Augen des Helden auf dem Cover zu Gesicht bekam, teilnahmslos, ohne mir viel zu versprechen, die ersten
beiden Absätze las und Logan Sackett kennen lernte.
Meine Mutter gab mir jeden Monat einige Rand als Taschengeld. Das Buch kostete vierzig Cent. Ich kaufte es. Und in den folgenden
drei Jahren konnte ich nicht genug davon bekommen.
Meine Mutter erhob keine Einwände. Vielleicht hoffte sie, ich würde dadurch zu anderer, anspruchsvollerer Lektüre gelangen.
Sie wusste nicht, dass es zu meiner ersten Begegnung mit dem Gesetz führte.
Es war nicht L’Amours Schuld.
An einem Morgen in den Ferien setzte meine Mutter mich und Gunther und einen weiteren Schulfreund in Klerksdorp ab, wo wir
ins Kino wollten. Das CNA in der Hauptstraße besaß zwei Geschosse, unten waren die Haushaltswaren und Spielsachen, oben die
Bücher. Ich war bereits früher im CNA gewesen, doch an jenem Tag entdeckte ich eine ganz neue Louis-L’Amour-Welt: neue, ungelesene
Bücher mit weißem Papier — nicht die verblichenen, leicht vergilbten, abgenutzten Ausgaben der Tauschbörse. Bücher, die frisch
rochen.
Ich weiß nicht mehr, wie viel Geld ich in der Tasche hatte. Jedenfalls nicht genug. Nicht genug für einen Film und einen Milchshake
und einen L’Amour. Sicherlich hätte es für ein |129| Buch gereicht, doch dann hätte ich mit Gunther nicht ins Kino gehen können. Genug für einen Film und einen Milchshake, doch
dann hätte ich mich nicht des neu entdeckten Überflusses bemächtigen können. Und in diesem Augenblick des leidenschaftlichen
Verlangens traf ich eine Entscheidung: Sich ein
Buch
zu nehmen war
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