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Tod vor Morgengrauen: Kriminalroman

Titel: Tod vor Morgengrauen: Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deon Meyer
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ist sehr schön, Daddy«, sagte, zwei Stühle weiter, die Frau Doktor beschwichtigend.
    »Das ist die von Abba auch, bis man sie zum dritten Mal gehört hat«, antwortete der Arzt.
    Van Heerden hörte den wütenden Stier in seinen Ohren heranstürmen.
    »Irgendwann hört sich das doch alles gleich an. Und außerdem |208| mangelt es seiner Musik an intellektueller Tiefe. Man muss nur mal den
Barbier von Sevilla
mit irgendeinem von Wagners Werken vergleichen …«
    »Der
Barbier
ist von Rossini«, warf van Heerden mit rasiermesserscharfer Stimme ein. »Mozart schrieb
Die Hochzeit des Figaro
. Eine Fortsetzung des
Barbiers

    »Unsinn«, kam es vom Arzt.
    »Doch, das stimmt«, sagte die Schauspielerin von der anderen Seite.
    »Sie hat trotzdem keine intellektuelle Tiefe. Sie ist und bleibt musikalische Zuckerwatte.«
    »Sie erzählen einen Scheiß!«, sagte van Heerden laut und deutlich und so wütend, dass selbst die Kellner in ihrer Arbeit innehielten.
    »Was für eine Ausdrucksweise!«
    »Lecken Sie mich doch am Arsch.«
    »Was versteht ein Polizist schon von Musik?« Der Arzt, nun rot im Gesicht, mit aufgerissenen Augen.
    »So viel wie ein Arzt von intellektueller Tiefe, du Arschloch.«
    »Zatopek!« Der Aufschrei, drängend, flehend, kam von Hope, aber das spielte keine Rolle mehr.
    »Sie Nazi!«, sagte der Arzt, der sich nun halb erhoben hatte und dem die Serviette vom Schoß fiel.
    Und dann erhob sich auch van Heerden und verpasste ihm einen Schlag, hieb mit der rechten Faust gegen dessen Kopf und glitt
     davon ab; kein direkter Treffer. Kurz verlor der Arzt das Gleichgewicht, fing sich aber schnell, stürzte sich auf van Heerden,
     doch der war bereit, traf ihn erneut, die Unternehmerin des Jahres kreischte und schlug die Hände |209| über den Kopf, während sie zwischen den beiden Männern kauerte. Er traf den Arzt mit der Rechten voll auf der Nase, traf ihn
     erneut, diesmal den Mund, spürte Zähne brechen, noch mehr Frauen kreischten, hörte Hopes schrille, hohe, verzweifelte Stimme,
     »nein, nein, nein«. Der Arzt taumelte nach hinten gegen die Wand, verfing sich mit einem Bein am Stuhl, van Heerden über ihm,
     holte, blind vor Zorn, zum letzten Schlag aus, dann hielt jemand seinen Arm fest, hinter sich hörte er eine ruhige, beschwichtigende
     Stimme. »Ruhig, ganz ruhig«, murmelte der Kulturattaché, »ganz ruhig, er war doch nur Dreiviertelspieler.« Er drückte noch
     immer gegen den festen Griff des Mannes und sah auf das blutige Gesicht unter ihm, die glasigen Augen. »Ganz ruhig«, wiederholte
     der andere mit weicher Stimme, und er entspannte sich.
    Tödliche Stille. Er ließ den Arm sinken, bewegte das Bein, um das Gleichgewicht wieder zu finden, und blickte auf.
    An der Stirnseite des Tisches stand, fast auf Zehenspitzen, Kara-An Rousseau, und in ihrem Gesicht der Ausdruck vollkommener
     sexueller Erregung.

|210| 22
    Sergeant Thomas »Feuerlocke« van Vuuren, eine Randfigur meiner Sunnyside-Zeit, war eine Karikatur, ein Alkoholiker, der seine
     Leidenschaft für Brandy in Form eines blau geäderten Gesichts und einer Knollennase zur Schau stellte, ein Mann Ende fünfzig
     mit einem ausladenden Bauch, unattraktiv und abgestumpft.
    Von allen Personen in der Dienststelle wäre er der Letzte gewesen, von dem ich dachte, er hätte einen bleibenden Einfluss
     auf mein Leben. Ich kannte ihn kaum.
    Wie in jeder Einrichtung des öffentlichen Diensts gibt es auch bei der Polizei eine gewisse Anzahl dieser eher mitleiderregenden
     Gestalten, die auf einer bestimmten Beförderungsstufe stecken geblieben waren, sei es wegen gewissen Unzulänglichkeiten, offenkundiger
     Faulheit oder eines unverzeihlichen Fehlverhaltens — das Kanonenfutter der Bürokratie, das langsam, ohne Hast und ohne große
     Erwartungen der Pensionierung entgegentrudelt. Sarge Feuerlocke war immer da. Aber ich glaube nicht, dass ich in den ersten
     beiden Jahren mehr als fünf Worte mit ihm gewechselt hatte.
    Ich saß in der Teeküche und paukte, die ersten Prüfungen für meinen Abschluss standen etwa in einem Monat an. Er kam herein,
     machte sich Kaffee, zog einen Stuhl an den Tisch und ließ den Löffel laut gegen die Tasse schlagen, während er umrührte.
    |211| »Du verschwendest deine Zeit mit dem Sergeant-Examen«, sagte er.
    Überrascht blickte ich auf und sah seine kleinen blauen, wässrigen Augen, die mich aufmerksam musterten.
    »Sarge?«
    »Du verschwendest deine Zeit.«
    Ich schob die Bücher weg und verschränkte

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