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Todesacker

Todesacker

Titel: Todesacker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Booth Thomas Bauer
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hat da so was angedeutet.«
    »Nein, sie ist nur nach Irland geflogen, um dort Martin Rourke zu vernehmen.«
    »Aha.« Murfin klopfte sich auf eine Art und Weise mit dem Kugelschreiber gegen die Zähne, die Cooper innehalten ließ, bevor er zur Rezeption hinunterging.
    »Du verstehst immer alles ein bisschen falsch, Gavin. Ist dir das schon mal aufgefallen?«
    Murfin richtete den Blick plötzlich auf seinen Computerbildschirm und wurde blass im Gesicht. »Oh, Gott.«
    »Was ist denn jetzt schon wieder?«
    »Ich habe eine E-Mail bekommen, Ben. Von Detective Superintendent Branagh. Sie schreibt, dass ich morgen früh als Erster für ein persönliches Gespräch mit ihr dran bin.«
     
    Cooper fielen die Tätowierungen der jungen Frau gar nicht so sehr auf. Stattdessen fielen ihm ihre Augen auf. Sie hatte große braune Augen wie ein Kalb. Im Halbdunkeln sah sie aus wie eine erschöpfte Madonna – blass und besorgt, das Gesicht von dunklem Haar eingerahmt. Doch als sie sich umdrehte, um ihn zu begrüßen, war das Licht des grauen Dezembernachmittags ihrem Aussehen nicht gerade zuträglich. Bevor sie sich hatte tätowieren lassen, musste sie ein ganz normaler Teenager gewesen sein, mit hübschem Haar, aber wirklich schlimmer Akne.
    »Sie sind die Enkelin von Mr Davis Palfreyman vom Hollowbrook Cottage in Rakedale?«
    »Ja, ich bin Mel Palfreyman. Das ist die Abkürzung von Melanie, aber dieser Name hat mir noch nie besonders gefallen.«
    Cooper wunderte das nicht. Der Name war viel zu feminin für ein Mädchen, das rebellieren wollte.
    »Haben Sie ein enges Verhältnis zu Ihrem Großvater?«
    »Ja, ein engeres als zu meiner Mum und zu meinem Dad. Ich besuche ihn sehr häufig in Rakedale. Eigentlich ist er wie ein richtiger Vater für mich. Er schimpft mich, hat was gegen meinen Freund. Sie wissen schon, was ich meine. Aber, ja, wir verstehen uns gut. Ich war schon immer Granddads Liebling, während Ian der Liebling meiner Eltern war.«
    »Ian?«
    »Mein Bruder.«
    »Sie haben meinem Kollegen erzählt, Ihr Bruder wäre gestorben.«
    »Bei einem Verkehrsunfall. Mit vierzehn. Granddad spricht immer nur vom RTA.«
    Cooper nickte. Selbst die Abkürzungen, die Palfreyman verwendete, waren altmodisch. Heutzutage sprach bei der Polizei niemand mehr von einem »Road Traffic Accident«, einem »Verkehrsunfall«, sondern nur noch von einer »Kollision«. Bei einem »Unfall« konnte niemandem die Verantwortung gegeben werden. Und im Großbritannien des einundzwanzigsten Jahrhunderts musste immer irgendjemandem die Schuld in die Schuhe geschoben werden.
    »Wie ist das passiert, Mel?«
    »Wir saßen beide im Auto«, sagte sie. »Wir haben einen Ausflug mit unseren Großeltern gemacht. Nach Sheffield, zum Einkaufen. Granny und Granddad wollten uns was Neues zum Anziehen kaufen. Wir hatten beide bald Geburtstag, als es passiert ist.«
    »Granddad ist gefahren. Beim Einfädeln auf die A6 in der Nähe von Bakewell hat er einen Fehler gemacht. Es herrschte sehr starker Verkehr, und es waren viele große Lastwagen unterwegs. Das war in der Nähe von Ashford in the Water. Sie kennen den Ort, nehme ich an?«
    »Ja.«
    »Wir mussten an der Auffahrt ziemlich lange warten, bis wir einfädeln konnten. Hinter uns hatte sich ein Stau gebildet, und einige Fahrer wurden sauer. Ian wurde auch ungeduldig. Ich erinnere mich, wie er gesagt hat: ›Los, fahr schon endlich, Granddad.‹ Aber Ian saß auf der Rückbank neben mir. Woher hätte er wissen sollen, ob es ungefährlich war einzufädeln? Das konnte er doch nicht wissen, oder? Aber Granddad ist trotzdem angefahren. Wenn er ein bisschen mehr Gas gegeben hätte, wäre vielleicht trotzdem nichts passiert. Aber dann kam ein Lastwagen – und der konnte nicht mehr ausweichen.«
    Mel berührte die Narbe auf ihrer Stirn. Sie war jetzt deutlicher sichtbar als zuvor. Die Erinnerung ließ sie rötlich leuchten wie eine frische Wunde.
    »Die stammt von damals«, sagte sie. »Ich bin gegen die Kopfstütze von Grannys Sitz geknallt.«
    »Und Ihr Bruder kam dabei ums Leben?«
    »Ja. Granny und Granddad wurden nicht schwer verletzt, aber emotional waren sie natürlich am Boden zerstört. Schließlich hatten sie die Verantwortung für uns. Sie haben ihre Schuldgefühle nie überwunden, vor allem Granddad nicht.«
    »Das ist verständlich.«
    »Aber es hat sie nicht so mitgenommen wie Dad.«
    Cooper wartete.
    »Mum, Granny, Granddad – sie alle waren dankbar, dass ich überlebt hatte, und machten sich große Sorgen

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