Todesacker
nach Ammoniak rochen. Keine Legebatterien, sondern Bodenhaltung, also war zumindest versucht worden, die Hühner artgerecht zu behandeln.
Cooper suchte in den Akten vergeblich nach Belegen für die Anschaffung größerer Gerätschaften, wie beispielsweise eines Strohstreuers. Da die Suttons allem Anschein nach nicht in der Lage gewesen waren, die ungefähr sechstausend Pfund für den Kauf eines solchen Luxusartikels aufzubringen, war das Stroh in den Hühnerställen vermutlich von Hand verteilt worden.
Die Felder waren in den letzten Jahren noch abgeerntet worden, auch wenn es auf Pity Wood keine Wiederkäuer mehr gab, die das Silofutter gefressen hätten. Keine Kühe oder Schafe, die es zu überwintern galt. Die Suttons mussten vorgehabt haben, das Futter an benachbarte Farmer zu verkaufen – und tatsächlich existierten Aufzeichnungen von früheren Verkäufen. Doch Cooper hatte die Silageernte dieses Jahres, die noch immer in Ballen auf dem Hof gelagert war, mit eigenen Augen gesehen.
Als Fry wieder im Büro ankam, war Cooper von Unterlagen umgeben, die sich über zwei Schreibtische verteilten. Er hielt eine vierseitige Hochglanzbroschüre in der Hand und war nicht in der Lage, den Ausdruck der Verwunderung in seinem Gesicht zu kontrollieren.
»Was hast du denn da, Ben?«
»Das Exposee des Maklers für den Verkauf der Pity Wood Farm. Auf den Fotos sieht sie ziemlich attraktiv aus. Da ist es jemandem gelungen, einen sonnigen Tag abzupassen. Und die Aufnahmen wurden mit einem Weitwinkelobjektiv gemacht. Allerdings nicht so weit, dass der Schlamm zu sehen ist.«
» ›Seltene Gelegenheit zum Erwerb eines Farm-Landguts mit erstklassigem Potential in äußerst gefragter Lage‹ «, las Cooper vor. » ›Traditionelles Farmhaus und angrenzende Scheunen mit weiteren Nebengebäuden und achtunddreißig Hektar Land. Zur Pity Wood Farm gehört ein malerisches, nach Süden ausgerichtetes Anwesen in unvergleichlicher Lage. Mehrere gemauerte Nebengebäude können nach bewilligtem Baugenehmigungsantrag zu Ferienhäusern umfunktioniert werden. Das Farmhaus ist renovierungs-, modernisierungs- und ausbaubedürftig …‹ «<
»Das kannst du laut sagen.«
» ›… bietet jedoch nach der Fertigstellung eine imposante Residenz in idyllischer ländlicher Lage.‹ «
»Lustig, dass die Leute immer ›idyllisch‹ sagen, wenn sie eigentlich ›primitiv‹ meinen.«
Cooper gab keine Antwort. Er war darauf konzentriert, sämtliche vom Makler aufgelistete Gebäude mit dem Plan der alten Übertragungsurkunde und seiner Erinnerung an die Pity Wood Farm abzugleichen. Im vorderen Bereich des Grundstücks befindet sich ein von Mauern umgebener Gartenbereich mit Terrasse. Das musste die überwucherte Fläche sein, auf der der alte Wohnwagen stand.
Er machte eine kurze Notiz. War die Spurensicherung schon dazu gekommen, den Wohnwagen unter die Lupe zu nehmen? Wer hatte darin gewohnt? Er hätte wetten können, dass das inmitten der ganzen Aufregung und der widersprüchlichen Prioritäten übersehen worden war.
Gemauertes, dreigeteiltes Mehrzweckgebäude, zwei Wellblechschuppen, Fachwerkscheune mit Spaltenboden, Futtergittern und Jauchegrube, gemauerter Schuppen mit Schrägdach, Fachwerk-Kuhstall, mehrere Geräteschuppen, praktisches sechsgeteiltes Mehrzweckgebäude … Die Liste erschien endlos, doch bei einigen dieser Gebäude musste es sich um Ruinen handeln. Immerhin stand im Exposee, dass das Anwesen renovierungsbedürftig war.
» ›Eine Wasserhauptleitung ist vorhanden‹ «, las Cooper laut vor.
»EineWasserhauptleitung?«, sagte Fry. »Das ist einVerkaufsargument, oder?«
»In dieser Gegend schon.«
»Und was hast du in den Farm-Unterlagen gefunden, Ben? Womit genau haben sie auf der Pity Wood Farm Geld verdient – ich meine, genug, um Profit zu machen? Und war Raymond auf den Verkauf der Farm angewiesen, um die Kosten des Pflegeheims bis zu seinem Lebensende bezahlen zu können?«
»Offenbar nicht. Die Brüder haben Tom Farnham mit ins Boot geholt, damit er ein paar neue Geschäftsideen ausprobiert. Ihnen war klar, dass Pity Wood von der Tierhaltung allein auf Dauer nicht überleben kann. Das war ziemlich scharfsichtig von ihnen, weißt du. Ich meine, jetzt liegt das für jeden auf der Hand, aber damals haben viele der älteren Farmer einfach die Daumen gedrückt und gehofft, dass es wieder bergauf gehen würde. Die meisten von ihnen konnten sich einfach nicht mit der Vorstellung anfreunden, ihr Leben umzustellen.
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