Todesahnung: Thriller (German Edition)
aber nicht entscheiden, in welche Richtung.
Ich will unbedingt fort von hier, dennoch muss ich Penley folgen und sehen, wohin sie geht. Ich mache einen Schritt vor und einen zurück. Wie ein menschliches Jojo.
Und schließlich lege ich einen Spurt hin.
Zum Hotel.
Ich verdränge meine Angst, meine tiefe Furcht und renne zum Eingang unter der roten Markise des Falcon, gehe erst langsamer, als ich die Eingangshalle betrete, die ich noch aus der Zeit kenne, als ich aus Boston hergezogen war. Vergiss es, Kris, das ist jetzt nicht wichtig.
Es folgt der schwierige Teil - Penley zu beobachten, herauszubekommen, in welches Zimmer sie geht, ohne dass sie mich sieht.
Wo steckt sie?
Nirgendwo. Ich lasse meinen Blick durch die protzige Eingangshalle mit ihrer minimalistischen Ausstattung gleiten. Sie wurde umgestaltet. Die Möbel sind schwarz wie die Kleidung der meisten Menschen hier. Wie auf einer Prada-Messe. Überall sind dünne Menschen, aber keiner davon ist Penley.
Ich eile zu den beiden Fahrstühlen links von der Rezeption. Beim ersten stehen die Türen offen, der zweite fährt nach oben. Eine digitale Anzeige an der Wand gibt an, bis wohin. Ich warte, bis er im dreizehnten Stock anhält.
Und los! Ich steige in den leeren Fahrstuhl. Als sich die Türen wieder öffnen, spähe ich hinaus in der Hoffnung, einen Blick auf Penley von hinten zu erhaschen, wie sie auf eins der Zimmer zugeht.
Doch auf dem Flur ist niemand zu sehen. Ich komme mir wie eine Schauspielerin in einem Gruselfilm vor, bei dem die Zuschauer »Verschwinde, Kristin. Lauf! Mach, dass du wegkommst!« rufen.
Das werde ich nicht tun. Ich ärgere mich, dass mir Penley entwischt ist. Vielleicht ist sie überhaupt nicht auf diesem Stockwerk.
Plötzlich höre ich ein paar Zimmer weiter eine Frau lachen. Oder vielmehr gackern. Egal, jedenfalls erkenne ich die Stimme sofort. Es ist die von Stängli.
Ich trete näher und presse mein Ohr an die Tür. Wenn sie nicht lachen, reden sie. Ich verstehe zwar nicht, worüber, aber ich erkenne die Stimme des anderen. Seine Stimme.
Die von Stephen.
Etwa eine Minute lang lausche ich ihrem ausgelassenen Treiben. Sie klingen beinahe wie Kinder. Wie sehr ungezogene Kinder. Ist dies wirklich die Frau, deren Suppen ich alphabetisch ins Regal stellen musste?
Wieder taste ich nach meiner Kamera. Diesmal gibt es kein Problem - sie ist da. Und bereit.
In der Tür zum Treppenhaus am Ende des Flurs befindet sich auf Augenhöhe ein kleines Fenster. Sieht nach dem perfekten Plätzchen aus, um sich dort niederzulassen.
Wenn Penley und Stephen getrennt gekommen sind, werden sie wahrscheinlich auch getrennt wieder gehen. Nicht, dass es einen Unterschied machen würde. Einzelne Fotos von ihnen zu schießen, wie sie aus demselben Hotelzimmer huschen, wird den Zweck mehr als erfüllen. Michael wird den Hergang vervollständigen können.
Ich trete von der Tür zurück. Die Mischung aus Kichern und Gott-weiß-was wirkt auf mich wie das Geräusch von über eine Tafel kratzenden Fingernägeln. Wenn ich den beiden hier auflauern muss, kann ich nur hoffen, dass Stephen nicht wie Sting auf Tantra-Sex steht. Dann müsste ich ewig warten!
Ich gehe Richtung Treppenhaus. Auf halbem Weg bleibe ich stehen, als wäre ich gegen eine Wand gerannt. Das Gefühl der tiefen Furcht überkommt mich wieder, als ich mich umdrehe und auf eine Tür auf der anderen Seite des Flurs blicke. Mir wird schwindelig, und ich zittere.
Und das nur wegen dem, was ich höre.
81
Es ist die Musik!
Diesmal ertönt sie nicht zwischen meinen Ohren, sondern hinter der Tür. Das Lied aus meinem Traum - über dieses Hotel! - kommt aus diesem anderen Zimmer. Wie passend. Oder wie sadistisch von diesem Menschen. Aber von welchem?
Ich lausche angestrengt. Ich höre die Melodie nur schwach, den Text verstehe ich überhaupt nicht. Der Titel des Liedes liegt mir auf der Zunge.
Aber nicht lange.
Ich klopfe leise an die Tür. Ich störe euch nicht gern, Leute, aber es wird Zeit, dass ihr mir den Titel verratet.
Niemand ruft »herein«.
Also klopfe ich etwas lauter.
Los, jetzt melde dich!
Stehst du unter der Dusche?
Oder bist du eingeschlafen, ohne das Radio auszuschalten? Kann passieren.
Ich sinke auf die Knie und spähe unter dem Türspalt hindurch. Es ist stockdunkel da drin.
Ist das frustrierend! Egal wie, ich muss sofort in dieses Zimmer.
Ich richte mich wieder auf und poche heftig gegen die Tür. Wenn niemand in diesem Zimmer
Weitere Kostenlose Bücher