Todesahnung: Thriller (German Edition)
unten, wo er nervös mit dem Fuß auf den Boden tippt. »Möglicherweise verlassen sie das Hotel getrennt. Sie sind auch getrennt eingetroffen.«
Er schnaubt. »Mein Gott, sie wird aus einem Hotel herausspazieren. Um elf Uhr vormittags. Ob allein oder nicht, mehr brauche ich nicht zu sehen.«
Er sieht es trotzdem.
Zu meiner großen Erleichterung tauchen Penley und Stephen Sekunden später gemeinsam aus dem Hotel auf. Wie unverfroren. Wie dumm. Eben typisch Penley.
Und wie wütend Michael wird.
Er beobachtet sie, sein Gesicht läuft rot an, seine Nasenflügel zittern. Vielleicht wäre ein Bild besser gewesen. Ich fürchte, er geht gleich hier im Café in die Luft.
Und es kommt noch schlimmer.
Penley und Stephen vereinigen sich zu einem heißen, keinen Zweifel lassenden Kuss. Diese Aufnahme ist ihr Geld wert, und obwohl ich die Szene nicht mehr festhalten muss, tue ich es trotzdem. Der Instinkt der Fotografin übernimmt die Führung. Denk nicht nach, drück einfach ab.
Bei Michael habe ich den Eindruck, er beobachtet einen Aufsehen erregenden Autounfall. Er kann sich von dem Kuss nicht abwenden. Das verstehe ich. Man ist genötigt, hinzuschauen.
»Scheiße, das ist doch unglaublich«, flüstert er.
Ich nehme die Kamera von meinem Gesicht und blicke ihn an. Es ist seine Stimme. Aber so habe ich ihn noch nie reden hören. Der Ton, der Klang - sie haben mit Wut nichts mehr zu tun.
»Alles in Ordnung?«, frage ich. »Michael? Es tut mir leid, dass du das hier sehen musstest.«
»Ich könnte diese Schlampe umbringen«, erwidert er nur.
83
Meine Gedanken spielen leicht verrückt, doch Michael scheint auf Hochtouren zu laufen. Zum ersten Mal sehe ich, wie er bei der Arbeit funktioniert. »Wo, glaubt sie, bist du im Moment?«, fragt er.
Ich verstehe ihn kaum. »Bitte?«
»Penley - glaubt sie, du bist bei uns zu Hause?«
Als ich nicke, zieht er sofort sein Mobiltelefon heraus.
»Was hast du vor?«, frage ich.
»Würdest du je so lange von der Arbeit verschwinden, ohne eine Nachricht zu hinterlassen?«
Er hat Recht. So weit habe ich nicht gedacht. »Nein«, antworte ich. »Eigentlich sollte ich die Terrasse sommerfertig machen.«
Michael drückt eine Kurzwahltaste. »Dann müssen wir ein bisschen Zeit für dich rausschinden«, sagt er.
Der nächste Moment grenzt wieder stark ans Surreale. Ist ja nichts Neues. Auf der anderen Seite der Straße lösen sich die Lippen, und Penley greift in ihre Tasche. Als sie die angezeigte Nummer auf ihrem Mobiltelefon sieht, wirft sie Stephen einen besorgten Blick zu und legt einen Finger auf ihre Lippen. Pst.
Sie nimmt das Gespräch an. Ihre Lippen bewegen sich. Das ist verrückt, aber auch aufregend.
»Hi, Schatz, wie geht’s? Bist du noch im Fitness-Studio?«, fragt Michael.
Er klingt völlig normal, sogar lebhaft. Kein Anzeichen von Stress.
Das ist ja völlig absurd, denke ich. Natürlich ist auch das typisch Michael, derselbe Kerl, der einen Arm um mich gelegt und im Restaurant seinen Geschäftskollegen vorgestellt hat. Er hat alles voll im Griff.
Mein Blick ist durchs Fenster auf Penley gerichtet, ihre Stimme aber höre ich über Michaels Telefon. Es ist, als würde ich mir einen ausländischen Film mit Untertiteln ansehen.
»Ich komme gerade aus dem Fitness-Studio«, antwortet sie. »Um was geht’s? Ich bin in Eile.«
»Du musst k.o. sein«, fährt Michael fort und wirft mir ein Grinsen zu. Nicht nur sie ist hammerhart drauf.
Angestrengt lausche ich, was sie als Nächstes sagt. Sie fragt, warum Michael vom Handy und nicht von seiner Büronummer aus anruft.
»Ich bin rausgegangen, um einen Kaffee zu trinken«, antwortet er. »Du weiß ja, wie ich diese schwache Brühe hasse, die es bei uns im Büro gibt. Eigentlich rufe ich genau deswegen an. Du könntest mir einen Gefallen tun.«
Penley bittet ihn, einen Moment dranzubleiben.
Durchs Fenster beobachten Michael und ich, wie sie die Hand übers Telefon legt und etwas zu Stephen sagt, der die Geduld zu verlieren scheint. Der arme Kerl hat es echt schwer. Offenbar erklärt sie ihm, dass sie Michael nicht so einfach abwimmeln kann. Kurz darauf marschiert Stephen zurück ins Hotel.
Was denn, wohnt er etwa dort?
»So, um was für einen Gefallen geht’s?«, meldet sich Penley zurück.
»Ist alles in Ordnung?«, erkundigt sich Michael.
»Ja, ich dachte gerade, ich hätte meine Schlüssel im Studio vergessen. Habe sie aber gefunden.«
Ziemlich schlau, diese
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