Todesahnung: Thriller (German Edition)
etwas über die beiden kommt, oder, genauer gesagt, über Stephen. Während sie an der Straßenkreuzung stehen, kann er seine Hände - oder Lippen - nicht von Penley lassen.
Andererseits hält Penley ihn auch nicht ab, doch sie scheint sich bewusst zu sein, dass sie sich auf einer öffentlichen Straße befinden. Sie hat viele Freunde in der Stadt, und trotz der restlichen etwa acht Millionen Fremden kann man nicht vorsichtig genug sein. Man weiß nie, wann man einen Bekannten trifft.
Wie mich.
Die Ampel schaltet auf Grün. Damit ist die Schmuseeinlage vorerst beendet. Ich gehe gleichzeitig mit ihnen weiter, während mich ein anderes Gefühl überfällt: Angst.
Penley und Stephen haben ihr Verhältnis nicht erst in den letzten Tagen begonnen, und das kann nur eins bedeuten.
Sie weiß über mich und Michael Bescheid.
Oder sie vermutet zumindest etwas. Was sonst sollte Stephens Gerede beim Abendessen, er habe sich auf eine verheiratete Frau eingelassen? Sollte er mir in ihrem Auftrag ein Geständnis entlocken, oder wollte sie mich nur verarschen?
Was auch immer, Penleys »arrangiertes Treffen« zwischen mir und Stephen war eine Falle, in die ich getappt bin.
Damit ändert sich alles.
An der nächsten Ecke bleiben sie wieder stehen, und Stephen setzt sein Mandel-Hockey dort fort, wo er aufgehört hat. Zusätzlich kommen die Hände ins Spiel. Auch Penley ist voll bei der Sache. Sie sollten sich wirklich ein Zimmer nehmen.
Ich stehe auf dem Bürgersteig einen halben Block hinter ihnen, aber weit davon entfernt, alle meine Gedanken und Gefühle zu dieser Wende unter einen Hut zu bekommen. Es gibt so vieles, worüber ich nachdenken muss, so viele Aspekte zu berücksichtigen.
Und endlich wird mir klar, was ich tun sollte.
Denk nicht nach, drück einfach ab.
Ich greife nach meiner Kamera. Wenn ich schnell genug bin, erwische ich sie beim Zungenkuss, bevor die Ampel umschaltet.
Allerdings spüre ich unter meiner Hand nicht das, wonach ich suche.
Keine Kamera. Keine Umhängetasche. Ich habe sie im Comfort Diner vergessen, als ich nach draußen gestürmt bin.
Verflixt und zugenäht!
Wer hat das immer gesagt? Ach ja, mein toter Vater.
77
»Was?«, fragt Michael nach.
Ich will gerade von vorn anfangen, doch er hat mich schon beim ersten Mal genau verstanden. Er kann es nur nicht glauben. Oder bin ich es, der er nicht glauben kann?
Wir stehen vor dem bis zum Boden reichenden Fenster im Wohnzimmer der Wall-Street-Wohnung, die seine Firma für wichtige Gäste bereithält. Scheinbar gibt es viele von ihnen, da wir uns hier nur selten zu unseren romantischen Zwischenspielen treffen konnten. Was diesen Abend betrifft, habe ich das Gefühl, dass der Sex mehr oder weniger auf der Strecke bleiben wird.
»Bist du sicher, dass es Penley war?«, fragt Michael. »Oder entspringt das nur deinem Wunschdenken?«
»Ich bin mir sicher. Ich habe sie mit eigenen Augen gesehen.«
Ich versuche, mich in seine Rolle zu versetzen. Vor weniger als achtundvierzig Stunden hat er mich aus einem Krankenhaus in Brooklyn vor der Gummizelle gerettet. Und jetzt diese Bombe.
Vielleicht bin ich selbst etwas skeptisch. Besonders als ich Michael erzähle, dass ich meine Kamera nicht bei mir hatte. Er weiß, dass ich praktisch mit ihr schlafe.
Keine Bilder - kein Beweis. Damit kann er nur auf mein Wort vertrauen.
»Und du bist sicher, es war derselbe Kerl, mit dem sie dich verkuppeln wollte?«, fragt er weiter.
Ich nicke. »Ja, es war Stephen, dieser ›hübsche Kerl‹.«
»Das würde bedeuten …«
»Genau«, unterbreche ich ihn.
»Aber woher sollte sie es wissen? Wir waren so vorsichtig.«
Ich werfe ihm einen zweifelnden Blick zu. »Ich erinnere mich unter anderem noch sehr genau an den Schleuderverein.«
»Trotzdem, ich würde merken, wenn sie es wüsste. Penley würde versuchen, mich umzubringen, und sich nicht auf solche Spielchen einlassen.« Er geht auf und ab und denkt laut nach. Sein Hals und sein Gesicht laufen dunkelrot an. »Sie hat diesen Kerl in einer Aufklärungsmission mit dir zum Abendessen geschickt? Ich meine, die Frau ist hart drauf, aber das hier ist echt hammerhart.«
»Mir kommt es nicht so verrückt vor, wenn sie den Verdacht hat, dass wir zusammen sind.«
»Glaub mir«, sagt er, »was du mir erzählst, ist verrückt genug, egal, wie man es dreht und wendet.«
Das Wort scheint in der Luft zu schweben - genau über meinem Kopf. »Verrückt«. Hält er mich etwa für verrückt?
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