Todesahnung: Thriller (German Edition)
bin ich auf eine katholische Schule gegangen. Die habe ich nie vergessen. Der Gemeindepfarrer hielt unserer Klasse einen inspirierenden Vortrag. Das war in der sechsten Klasse, glaube ich. Es ging um Ewigkeit und ewige Verdammnis und wie man das zu verstehen hat - wenn das möglich ist. Der Priester sagte: ›Stellt euch eine kleine Amsel vor, die auf einem riesigen Berg im Norden von New York oder an einem anderen gottverlassenen Ort lebt. Und alle tausend Jahre nimmt der kleine Vogel etwas von dem Berg in seinen Schnabel und fliegt nach Brooklyn, um es auf unserem Schulparkplatz abzulegen. Jetzt stellt euch vor, diese Amsel tut dies, bis der gesamte Berg hierher getragen wurde. Und das, liebe Buben und Mädchen, wäre erst der Anfang der Ewigkeit.‹
Nette Geschichte. Und ich habe da noch einen anderen Gedanken für Sie. Dieser ganze Albtraum dauert etwa dreizehn Sekunden. Von Anfang bis Ende. Zählen Sie - dreizehn. Dann wird Ihnen klar, wie lange die Ewigkeit dauern wird.«
Alles, was bisher passiert ist … das hat nur dreizehn Sekunden gedauert? Mein Gott!
Delmonico schnippt die Asche seiner Zigarette fort. Ein Teil schwebt auf mich herab.
»Aber was wird in der Ewigkeit mit mir passieren?«, frage ich.
»Jetzt machen Sie wieder einen auf minderbemittelt. Entzückend.« Delmonico lacht. »Sie werden es früh genug herausfinden. Der war wirklich gut, Fräulein - was passiert als Nächstes? Wie wär’s mit einer kleinen Vorschau?«
Delmonico öffnet seinen Mund weiter, als ich es je bei einem Menschen gesehen habe. Eine Ratte schiebt ihren haarigen Kopf heraus, blickte mich an und zieht sich wieder zurück. »Hm«, macht er.
Während er übermütig lacht, sich umdreht und zurück in sein Zimmer geht, zurück in die Dunkelheit, weht ein Rauchring von seiner Zigarette über meinen Kopf.
»Ist das dort das Portal zur Hölle?«, rufe ich ihm hinterher. »Hey, Delmonico, ich habe Sie was gefragt.«
In dem Moment beugt sich eine Polizistin sehr nah über mich. Ob man mich irgendwohin bringen wird?
Doch dann - denk nicht nach, drück einfach ab - macht sie ein Foto von mir.
Vierzehnter Teil
110
Zwei Sanitäter rollen einen langen Plastiksack neben mir aus und ziehen den Reißverschluss an der Seite auf.
»Stopp!«, flehe ich. »Ich bin nicht tot. Bitte, bitte, hört doch auf!«
Als sie meine Arme nah an meinen Körper legen, sehe ich, wie Blut von meiner rechten Hand tropft.
»Eins, zwei, drei«, zählen sie, heben mich hoch und legen mich in den Leichensack.
Mein Gott, mein Gott, bitte nicht. Tut mir das nicht an!
Sie ziehen den Reißverschluss zu, obwohl ich sie anflehe, es nicht zu tun, sondern mir aus einem Grund, der mir selbst nicht klar ist, eine zweite Chance zu geben.
Noch nie habe ich mich so hilflos, ängstlich oder allein gefühlt.
Als sie mich den Flur entlang, in den Fahrstuhl und wieder hinaus in die Eingangshalle rollen, blicke ich voller Schrecken und Trauer nach draußen. Durch das dunkle, schäbige Plastik sieht alles grau aus.
Selbst die rote Markise vor dem Hotel.
Mit quietschenden Rädern, die sich wie kranke Vögel anhören, schieben sie mich auf der Rolltrage zum Bordstein.
Ich höre das Murmeln der Menge, die sich auf der Straße versammelt hat. Die Menschen fragen sich, was passiert ist.
Wer ist da drin gestorben?
»Das ist ein schrecklicher Fehler«, schreie ich. »Ich bin nicht tot!«
Doch niemand hört mich.
Weder der Geschäftsmann in seinem Nadelstreifenanzug, noch der Fahrradbote oder die Mutter mit Kinderwagen. Es sind dieselben Menschen, die ich in meinem Traum gesehen habe. Die Fremden … die jetzt, sozusagen, zu meiner Beerdigung gekommen sind.
Ich habe solche Angst.
Bitte, lieber Gott, mach, dass es aufhört! Bitte, bitte, lieber Gott!
Doch auch er hört mich nicht.
Oder schlimmer noch, vielleicht hört er mich, aber ihm ist Kristin Burns egal.
Über mir sehe ich nur den Lichtschein der Polizei- und Krankenwagen, der über die umliegenden Häuserwände tanzt.
»Jetzt unternimm doch mal jemand was! Holt mich hier raus! Bitte!«
Der Reißverschluss des Leichensacks ist nur wenige Zentimeter von meinem Auge entfernt. Er ist so nah und doch unerreichbar.
Ich kann mich nicht bewegen.
Doch plötzlich öffnet sich der Reißverschluss ein Stück - scheinbar von allein, als die Rolltrage über einen Riss im Gehweg holpert.
In dem Moment höre ich es. Auf der Straße drängt jemand durch die Menge, schreit so laut und so
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