Todesahnung: Thriller (German Edition)
dass ich etwas ganz Bestimmtes lese.
Ich bin in Versuchung, zum Fahrstuhl weiterzugehen, ohne ihr die Befriedigung zu gönnen, doch meine Neugier siegt. Vielleicht muss ich irgendein Geheimnis lösen, egal welches. Ich schließe meinen Briefkasten auf und nehme einen Stapel Kataloge, Rechnungen und verschiedene andere Reklamesendungen heraus.
Er liegt ganz oben.
Ein Umschlag der Priority Holding, der dieses Haus gehört. Darin befindet sich ein einseitiger, einzeilig geschriebener Brief.
Sehr geehrte Ms Burns,
aufgrund fortwährender Beschwerden seitens anderer Mie-
ter bzgl. Ihres Verhaltens werden wir Ihnen nach Ablauf
Ihres derzeitigen Mietvertrags keine Verlängerung anbie-
ten. Gemäß Gesetz des Staates New York haben Sie das
Recht, Widerspruch gegen diese Entscheidung einzulegen
und in Übereinstimmung mit dem Wohnungsamt von New
York eine Anhörung zu beantragen.
In einem weiteren Absatz wird mitgeteilt, mit wem ich Kontakt aufnehmen kann, doch meine Aufmerksamkeit richtet sich auf den Menschen, dem ich diese Schandtat zu verdanken habe. Ich muss nicht weit schauen.
»Das haben Sie verbrochen, oder?«
Mrs Rosencrantz macht ein selbstgefälliges Gesicht. »Ich würde eher sagen, das haben Sie selbst verbrochen.«
Ich fuchtle mit dem Brief vor ihrem Gesicht herum. »Unglaublich. Haben Sie wirklich nichts Besseres zu tun?«
»Es ist ja nicht so, dass ich Sie heute Morgen nicht gewarnt hätte.«
»Heute Morgen?«
»Sie waren heute Morgen sehr unverschämt zu mir. Sie haben kein Benehmen, junge Frau!«
»Mrs Rosencrantz, zu Ihrer Information, das war nicht heute Morgen, sondern vor einer Woche.«
»Zu Ihrer Information, Ms Burns, ich weiß sehr wohl, wann ich an Ihre Wohnungstür geklopft habe.«
»Offenbar nicht. Und wenn Sie glauben, ich werde Ihnen das durchgehen lassen, haben Sie sich getäuscht. Ich werde mich dagegen wehren, dass Ihnen Hören und Sehen vergeht.«
»Nur zu, machen Sie so viel Lärm, wie Sie wollen. Schreien Sie, wenn Sie müssen. Darin sind Sie weiß Gott gut.«
Oh, sie bittet sogar darum!
Zum ersten Mal in meinem Leben bin ich versucht, eine alte Frau zusammenzuschlagen. Die wirft ja schon die Tage durcheinander!
Doch ich halte mich zurück. Ich nehme all meine Willenskraft zusammen und gehe. Schließlich habe ich Wichtigeres zu tun.
Als ich den Knopf vom Fahrstuhl drücke und warte, bemerke ich einen zweiten Brief vom Hausbesitzer. Eine Mitteilung, die an der Wand hängt.
Aufgrund eines Problems mit der Heizung stand heute Morgen in diesem Gebäude für kurze Zeit kein warmes Wasser zur Verfügung. Für eventuelle Unannehmlichkeiten möchten wir uns entschuldigen.
Offenbar hängt diese Mitteilung schon eine Woche hier und wurde einfach vergessen. Puh, an diese kalte Dusche erinnere ich mich noch gut! Doch als ich genauer hinsehe, gibt es ein Problem.
Auf der Mitteilung steht das Datum von heute.
86
Beruhige dich, ermahne ich mich. Es gibt eine einfache Erklärung dafür: Es ist wieder passiert, mehr nicht. Es gab an diesem Morgen und an dem Morgen, als Mrs Rosencrantz an meine Tür gepoltert hat, kein warmes Wasser. Und diese alte Vettel, was immer sie auch behauptet, wird senil.
Einigermaßen durcheinander betrete ich den Fahrstuhl. Ich habe nie viel getrunken, doch heute Abend könnte sich das ändern.
Kaum in meiner Wohnung, schenke ich mir einen Stoli ein. Einen Wodka-Tonic ohne Tonic. Den kippe ich wie einen Schnaps. Ich will jetzt nur noch eins spüren: nichts.
Ich wünschte, Michael wäre bei mir. Lieber noch wüsste ich, was er denkt. Warum wollte er mir nicht sagen, was er vorhat? Ich mache mir Sorgen wegen seines Temperaments.
Ich schenke mir den nächsten Stoli ein und piepse Michael an, während ich das Diamant-Saphir-Armband umklammere, das er mir geschenkt hat. Ich wette, jetzt wäre es ihm egal, wenn ich es auf der Arbeit tragen würde.
Ein paar Minuten vergehen. Das Warten wird unerträglich.
Ich stelle mir vor, er sitzt noch bei einer Besprechung seiner Firma oder telefoniert mit dem Ausland und kann nicht weg. Vielleicht ist er auch bei seinem Anwalt und überlegt eine Ausstiegsstrategie. Bei einer Scheidung von Penley ist eine Menge Geld im Spiel.
Ein paar Minuten werden zu einer halben Stunde. Wut meldet sich in mir. Ich halte das nicht aus. Warum ruft mich Michael nicht zurück? Er weiß doch, dass wir miteinander reden müssen.
Wieder piepse ich ihn an.
Jetzt werde ich aber nicht von meiner Wut
Weitere Kostenlose Bücher