Todesahnung: Thriller (German Edition)
angetrieben, sondern von Angst. Hat er etwas getan? Was könnte er tun?
Ich schalte die Unterdrückung der Rufnummernanzeige ein und rufe ihn zu Hause an. Ich weiß, dass Penley nie ans Telefon geht, aber er wird es vielleicht tun.
Es klingelt und klingelt. Verdammt.
Der Anrufbeantworter schaltet sich ein. Ich will gerade wieder auflegen, als ich ein »Hallo?« höre. Ich erkenne ihren Akzent auf Anhieb. Es ist Maria. Allerdings ist heute nicht der Tag, an dem sie normalerweise putzt. Eigentlich ist auch nicht mehr Tag, sondern schon Nacht.
»Maria, ich bin’s, Kristin.« Ich versuche, nicht ängstlich zu klingen. »Was machst du dort?«
»Ich auf die Kinder aufpassen«, antwortet sie. »Mrs Turnbull mich in letzte Minute angerufen, um herzukommen.«
»Wo ist Mr Turnbull?«
»Mit Mrs Turnbull. Sie gehen zum Abendessen.«
Das blicke ich nicht. Abendessen? Und zusammen? »Weißt du, wohin sie gegangen sind?«
»Nein, aber sie mir haben Handynummern gegeben für Notfall. Ich rufe sie an, wenn du willst.«
»Nein, nein, ist schon in Ordnung.«
»Wenn sie später nach Hause kommen, ich sagen, du angerufen.«
»Nein! Nicht …« Ich muss mich zusammenreißen. »Ich meine, das ist nicht nötig. Ich werde morgen mit Mrs Turnbull reden.«
Ich bedanke mich und lege auf, ohne zu wissen, ob ich erleichtert sein oder mir noch mehr Sorgen machen soll. Ich tendiere in Richtung Sorgen. So, wie Michael heute Morgen im Café gegenüber des Hotel Falcon reagiert hat, würde ich als Letztes vermuten, dass die beiden gemeinsam zum Abendessen ausgehen.
Sofern natürlich nicht mehr dahintersteckt. Zum Beispiel das, was Michael mir nicht erzählt.
Wieder piepse ich Michael an. Wenn er wirklich mit Penley beim Abendessen sitzt, warum kann er sich nicht einfach entschuldigen und mich zurückrufen?
Ich kann nicht verhindern, dass ich anfange zu weinen. Je mehr ich über die ganze Sache nachdenke, desto unerträglicher wird sie.
Als ich mir den dritten Wodka einschenken will, wird mir klar, dass es nicht der Alkohol ist, den ich brauche.
Ich brauche meine Dunkelkammer.
Eine Minute später entwickle ich unter dem roten Schein meiner Sicherheitslampe den Film, den ich von Penley und Stephen vor dem Falcon verschossen habe. Ich kann immer noch nicht glauben, dass sie das Hotel gemeinsam verlassen haben. Vielleicht stimmt der Spruch: Menschen, die eine geheime Affäre haben, wollen erwischt werden.
Ob das im Fall von Penley und Stephen zutrifft, weiß ich nicht.
Doch bald schon, als ich das erste Bild der beiden betrachte, sehe ich, was los ist. Nein!
Stephen ist auf dem Bild durchsichtig.
Genauso wie Penley.
Und wie die Leichensäcke.
Trotzdem ergibt das alles noch keinen Sinn.
Mein Traum ist mehr als ein Traum. Es ist alles real. Es ist passiert. Vergangenheitsform. Ich weiß es, weil ich dort war.
Und das gilt nicht nur für mich, oder? Noch jemand anderes weiß, dass ich im Falcon war.
Natürlich ist er ungefähr der letzte Mensch auf Erden, dem ich noch einmal über den Weg laufen will. Bin ich schon so durchgeknallt, dass ich ihm dennoch wiederbegegnen möchte?
Nein, nur sehr, sehr verzweifelt.
87
Ich suche in meiner Umhängetasche nach der Visitenkarte mit den fetten schwarzen Buchstaben. Detective Frank Delmonico, 19. Revier, 153 E. 67th Street.
Schon seinen Namen zu lesen bereitet mir Übelkeit. Die Telefonnummer ist durchgestrichen, darüber steht eine andere, mit der Hand geschriebene. Ein paar Ziffern kann ich nicht erkennen, was egal ist. Ich habe nicht die Absicht, ihn wissen zu lassen, dass ich komme. Ich baue auf den Überraschungseffekt. Auf das und auf etwas anderes.
Nur ein totaler Idiot würde mich in einem Gebäude voller Polizisten angreifen.
Die meiste Zeit tief durchatmend, fahre ich mit dem Taxi hinüber zur East Side, wo das Polizeirevier nur wenige Straßenblocks vom Falcon entfernt liegt. Von Straßenlaternen und Flutlichtern umgeben, scheint das Steingebäude unter dem Nachthimmel zu glühen. Es ist sogar richtig hübsch, wenn auch auf eine bedrohliche Art.
Unter anderen Umständen würde ich nach meiner Kamera greifen und es fotografieren.
Aber ich habe schon genug Gruselbilder geschossen. Das reicht für eine Weile.
Als ich eintrete, kommen zwei junge Polizisten heraus, die in ihre Unterhaltung vertieft sind. Einer blickt in meine Richtung und lächelt mich mit einem Nicken kurz an. Ich will ihn gerade fragen, ob Delmonico da ist, als ich aus
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