Todesangst
wußte, daß sie jetzt fast zu Hause war. Als sie die Craigie-Arms-Wohnanlage erreichte, war er unmittelbar hinter ihr. Ein rascher Blick die Concord Avenue rauf und runter bestätigte ihm, daß er es zeitlich gut getroffen hatte. Jetzt kam es nur noch darauf an, wie es im Gebäude drin laufen würde.
Juan Diaz verharrte einen kurzen Moment, bis er sicher sein konnte, daß sie die Innentür geöffnet hatte. Dann war er blitzschnell in der Vorhalle, rechtzeitig genug, um einen Fuß auf die Schwelle der Innentür zu setzen. Erst jetzt sprach er die junge Frau an.
»Miß Brennquivist?«
Überrascht blickte sie ihm in sein hübsches, südländisch dunkles Gesicht.
»Jaa«, sagte sie in ihrem ein wenig singenden skandinavischen Tonfall und hielt ihn offenbar für einen Mitbewohner des Hauses.
»Ich bin ganz wild darauf, Sie kennenzulernen. Mein Name ist Carlos.«
Einen verhängnisvollen Augenblick lang zögerte sie, den Schlüssel in der Hand. »Wohnen Sie hier?« fragte sie.
»Aber natürlich«, antwortete Juan Diaz mit geübter Lässigkeit, »im ersten Stock. Und Sie?«
»Im zweiten«, antwortete sie und schritt durch die Tür, unmittelbar gefolgt von dem jungen Kubaner.
»Nett, Sie kennenzulernen«, fügte sie noch hinzu und überlegte dabei, ob sie nun mit dem Aufzug fahren oder die Treppe nehmen sollte; sie fühlte sich unbehaglich durch die Anwesenheit des jungen Mannes.
»Ich hatte so gehofft, daß wir ins Gespräch miteinander kämen«, sagte Juan Diaz und trat direkt neben sie. »Wie wäre es, wenn ich auf einen Drink mit zu Ihnen käme?«
»Ich glaube nicht, daß…« Helene Brennquivist sah die Pistole und schnappte nach Luft.
»Machen Sie mich lieber nicht zornig, Miß«, sagte Diaz ganz sanft. »Wenn ich zornig werde, mache ich dann Sachen, die mir hinterher leid tun.« Er drückte auf den Aufzugsknopf, und die Türen öffneten sich. Er forderte die junge Frau mit einer Geste auf, einzutreten, und folgte ihr. Alles lief bestens.
Als der Aufzug einrastete und dann nach oben schwebte, lächelte der junge Mann herzlich. Es war das beste für alle, ganz ruhig zu bleiben.
Helene Brennquivist war vor Schreck völlig erstarrt. Da sie nicht wußte, was sie tun sollte, tat sie überhaupt nichts. Der Mann ängstigte sie, obwohl er irgendwie ordentlich wirkte und sehr gut gekleidet war. Er sah eher wie ein erfolgreicher Geschäftsmann aus. Vielleicht war er einer der Mitinhaber von Gene Incorporated und kam, um ihre Wohnung zu durchsuchen. Für einen Augenblick dachte sie daran, zu schreien oder fortzulaufen, aber dann fiel ihr wieder die Pistole ein.
Die Aufzugstüren öffneten sich im zweiten Stock. Der Kubaner bat Miß Brennquivist mit höflicher Geste, voranzugehen. Die Schlüssel in der zitternden Hand, ging sie zu ihrer Wohnungstür und schloß auf. Diaz stellte sofort seinen Fuß in den Türspalt, wie er es unten schon getan hatte. Nachdem sie beide eingetreten waren, machte er die Tür zu und schloß nicht nur ab, sondern schob auch den Riegel vor und hängte die Sicherheitskette ein. Helene stand dabei wie gelähmt in dem kleinen Flur, sie konnte kein Glied rühren.
»Bitte«, sagte Diaz und bat sie mit einer höflichen Geste, doch ins Wohnzimmer zu gehen. Zu seiner Überraschung saß dort eine füllige Blondine auf dem Sofa. Man hatte ihm gesagt, Helene Brennquivist lebe allein. Macht nichts, dachte er. »Wie lautet doch das Sprichwort?« murmelte er vor sich hin. »Ein Unglück kommt selten allein? Nein, das andere trifft hier mehr: Doppelt genäht hält besser!« Das würde ja noch toller werden, als er geglaubt hatte.
Er fuchtelte mit seiner Pistole und bedeutete Miß Brennquivist, sich ihrer Zimmergenossin gegenüberzusetzen. Die beiden Frauen wechselten angstvolle Blicke. Dann riß Juan Diaz das Telefonkabel aus der Wand, so daß die Anschlußdrähte lose aus der Anschlußbuchse ragten. Anschließend ging er zu dem Stereoturm hinüber und schaltete ihn ein. Es ertönte klassische Musik. Er bewegte den Senderknopf, bis er eine Station hatte, die Hardrock brachte, und drehte die Lautstärke auf.
Dann rief er fröhlich: »Ohne ein bißchen Musik wäre das ja eine traurige Party!« und zog ein dünnes Seil aus der Tasche.
10
Am Montag morgen machte Dr. Jason Howard als erstes seine Visite in der GHP-Klinik, und sie war nicht erfreulich - keiner seiner Patienten fühlte sich besser. Er ging anschließend in sein Büro und versuchte wiederholt und während jeder unvorhergesehenen
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