Todesangst
»Ich muß mich beeilen - ich habe noch einen Termin.« Howard stand auf und nahm sie bei der Hand. Er war beeindruckt von der feinen Umschreibung, die Carol Donner für ihre berufliche Verpflichtung gefunden hatte. »Ein Termin« - das klang so wunderbar geschäftlich. Sie gingen zusammen zum Ausgang des Parks.
Carol lehnte sein Angebot, sie zu fahren, ab, verabschiedete sich und lief die Beacon Street hinauf. Jason Howard schaute ihrer kleiner werdenden Gestalt nach. Carol wirkte so sorglos und glücklich. Welch eine Tragödie, dachte er. Die Zeit, die ihr so grenzenlos scheint, wird sie bald eingeholt haben. Was war denn das für ein Leben - sich auf dem Laufsteg auszuziehen und Verabredungen mit Männern zu treffen? Er mochte gar nicht daran denken. Er wandte sich in die entgegengesetzte Richtung und kaufte an seinem Lieblingsplatz ein, was er für ein bescheidenes Abendessen brauchte - ein Brathähnchen und Grünzeug für einen Salat. Unterdessen ging ihm weiterhin die Unterhaltung mit Carol durch den Kopf. Er hatte eine Menge von Informationen erhalten, aber sie führten eher zu neuen Fragen als zu Antworten. Doch zweierlei stand inzwischen für ihn fest: Erstens hatte Alvin Hayes tatsächlich eine Entdeckung gemacht, und zweitens war der Schlüssel zu allem Helene Brennquivist.
Innerhalb von weniger als vierundzwanzig Stunden hatte sich Juan Diaz seinen Plan zurechtgelegt. Da es sich hier nicht um einen herkömmlichen Auftrag handelte, mußte er schon mehr Gedanken darauf verwenden. Gewöhnlich ging es darum, das Opfer in eine Menschenmenge einzukeilen, ihm dann eine kleinkalibrige Pistole an den Kopf zu halten - und peng, das war’s. Ein derartiges Vorgehen erforderte nicht sonderlich viel Planung, sondern nur die passenden Umstände. Die Sache klappte wegen der Besonderheit von Menschenmengen. Nach jedem erschreckenden Ereignis kümmerten sich alle so intensiv um das Opfer, daß der Täter sich unbemerkt verkrümeln konnte, ja sogar so tun, als gehöre er zu den neugierigen Beobachtern. Es ging lediglich darum, unauffällig die Waffe loszuwerden.
Seine Anweisungen für den jetzigen Auftrag waren anders - es mußte wie eine Vergewaltigung aussehen. Er lächelte vor sich hin, begeistert darüber, daß er für eine Sache, die ihm ohnehin so viel Spaß machte, auch noch bezahlt wurde. Die Vereinigten Staaten waren wirklich ein seltsames und wunderbares Land - hier machte man sich um die Täter mehr Gedanken als um die Opfer.
Juan Diaz war sich klar darüber, daß er diesmal sein Opfer allein erwischen müsse. Das war eine zusätzliche Herausforderung. Aber es brachte auch zusätzlichen Spaß, denn ohne Zeugen konnte er mit der Frau machen, was er wollte - Hauptsache, sie war tot, wenn er ging.
Er entschied sich dafür, seinem Opfer zu folgen und es erst in der Vorhalle des Hauses, wo es wohnte, anzusprechen. Die mit leiser, höflicher Stimme vorgebrachte Androhung körperlicher Gewalt müßte wohl ausreichen, um sie dazu zu bringen, ihn in ihre Wohnung zu lassen. Und wenn er erst mal drin war, würde er schon seinen Spaß mit ihr haben.
Er folgte seinem Opfer auf einem kurzen Einkaufsbummel am Harvard Square. Es kaufte sich an einem Kiosk an der Ecke eine Zeitschrift und eilte dann in ein Lebensmittelgeschäft. Juan Diaz schlenderte über die Straße und blieb vor dem Fenster einer Buchhandlung stehen, voll Verwunderung darüber, daß der Laden am Sonntag geöffnet hatte. Seine Zielperson kam mit einer Plastikeinkaufstüte aus dem Geschäft, ging quer über die Straße und verschwand in einer Bäckerei mit Cafe. Er folgte ihr - Kaffee war nicht schlecht, selbst wenn es nur amerikanischer war. Kubanischer war ihm lieber: stark gebrannt, süß und kräftig.
Während er das heiße Getränk schlürfte, schaute er sich sein Opfer näher an. Er war überrascht, wie gut sie aussah - sie war wirklich schön. Er schätzte sie auf Mitte Zwanzig. Tolle Sache, dachte er. Er fühlte, wie seine Hose sich bereits spannte. Diesbezüglich brauchte er nichts vorzutäuschen.
Nach etwa einer halben Stunde zahlte die junge Frau und ging. Juan Diaz warf eine Zehndollarnote auf den Tisch - er war großzügig aufgelegt, und schließlich würde er um fünftausend Dollar reicher sein, wenn er nach Miami zurückkam.
Zu seiner Freude ging die Frau die Brattle Street hinauf. Er verlangsamte seinen Schritt; es genügte ihm, sie im Auge zu behalten. Als sie auf die Concord Avenue einbog, näherte er sich ihr etwas mehr, da er
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