Todesangst
froh, wenn ich mal aus der Stadt verschwinde.«
»Sagen Sie schon, daß Sie mitkommen«, flehte Howard.
»Na gut«, antwortete sie mit einem herzerwärmenden Lächeln. »Warum eigentlich nicht.«
»Es gibt einen Flug nach Seattle um vier Uhr nachmittags. Ich besorge die Tickets, und wir treffen uns am Eingang. Wie klingt das?«
»Verrückt«, sagte Carol Donner.
»Also, dann treffen wir uns dort.« Jason Howard rannte die Treppen hinunter und dann zu seinem Wagen, wobei er fürchtete, Bruno DeMarco hätte vielleicht kehrtgemacht und sei wieder die Feuerleiter hinuntergeklettert, um ihn abzufangen.
12
Ziemlich früh am Morgen rief Dr. Jason Howard seinen Kollegen Wanamaker an und informierte ihn noch über Besonderheiten bei seinen Patienten, da er nicht ins Krankenhaus kommen wollte. Er mußte vielmehr noch etwas anderes erledigen, ehe er sich mit Carol Donner auf den Flug nach Seattle machte. Er packte rasch ein paar Sachen, wobei er darauf achtete, Kleidung für regnerisches und kühles Wetter mitzunehmen. Dann nahm er sich ein Taxi zum Flugplatz, verstaute dort sein Gepäck in einem Schließfach und erwischte gerade noch den Zehnuhrflug der Eastern Airlines nach New York. Dort am La-Guardia-Flughafen nahm er sich einen Mietwagen und fuhr die kurze Strecke nach Leonia, New Jersey. Das war wahrscheinlich eine noch viel dünnere Chance als Seattle, aber Dr. Howard wollte auf alle Fälle mit der Exfrau von Alvin Hayes sprechen. Er wollte sich auch nicht das kleinste Versäumnis vorwerfen müssen.
Leonia entpuppte sich als überraschend verschlafene Kleinstadt, die ihre Nähe zu New York Lügen strafte. Schon zehn Minuten nach Überquerung der George-Washington-Brücke über den Hudson fand er sich auf einer breiten Straße, die von einstöckigen Geschäftsgebäuden mit schräg eingezeichneten Parkplätzen davor gesäumt war. Es war eine typische amerikanische Kleinstadthauptstraße, nannte sich aber hochtrabend Broad Avenue. Es gab einen Drugstore, eine Bäckerei, einen Haushaltswarenladen und eine kleine Imbißstube - das Ensemble wirkte wie in einem Film der fünfziger Jahre. Der Arzt trat in die Imbißstube, bestellte sich ein Milchmixgetränk mit Malz und Vanille und bat um das Telefonbuch.
Er fand eine Louise Hayes in der Park Avenue. Während er sein Getränk genoß, überlegte er, ob es vernünftiger sei, erst anzurufen oder gleich hinzufahren. Schließlich entschloß er sich zu letzterem.
Die Park Avenue ging von der Broad Avenue ab und wand sich den Hang hinauf, der Leonia östlich begrenzte. Nach der Überquerung des Pauline Boulevard bog sie nach Norden, und dort fand Howard auch das Haus von Louise Hayes. Es war ein bescheidenes, schindelgedecktes dunkelbraunes Gebäude, dem sichtlich eine Renovierung gutgetan hätte. Auch der Rasen vor dem Haus hätte dringend der Pflege bedurft. Der Arzt klingelte. Eine Frau in mittleren Jahren öffnete mit einem Lächeln; sie trug ein ausgebleichtes rotes Hauskleid, ihr braunes Haar war strähnig, und ein fünf- oder sechsjähriges Mädchen hing, den Daumen im Mund, an ihrem Rockzipfel.
»Mrs. Hayes?« fragte Dr. Howard. Mit den beiden letzten jungen Freundinnen von Hayes konnte es die Frau natürlich nicht aufnehmen.
»Ja, das bin ich.«
»Ich bin Dr. Jason Howard, ein Kollege Ihres verstorbenen Gatten.« Er hatte sich keine Gedanken darüber gemacht, was er ihr sagen würde.
»Ja, bitte?« wiederholte sie fragend und schob wie in einem Reflex das Kind nach hinten.
»Ich würde mich gern einen Augenblick mit Ihnen unterhalten, wenn Sie etwas Zeit für mich hätten«, sagte er und reichte ihr, seine Brieftasche herausziehend, seinen Führerschein mit seinem Foto und seinen GHP-Sonderausweis. »Ich war mit Ihrem verstorbenen Ehemann gemeinsam auf der Universität«, fügte er ergänzend hinzu.
Louise Hayes warf einen Blick auf seine Papiere und reichte sie ihm dann zurück. »Würden Sie bitte mit hereinkommen?«
»Vielen Dank.«
Auch im Inneren des Hauses sah es so aus, als ob es für Reparaturarbeiten an der Zeit wäre. Die Möbel wirkten abgenutzt und der Teppich abgetreten. Auf dem Boden lag Kinderspielzeug herum. Louise Hayes räumte rasch auf der Couch ein paar Sachen zur Seite und bat ihren Besucher, dort Platz zu nehmen.
»Kann ich Ihnen irgend etwas anbieten? Kaffee, oder vielleicht lieber Tee?«
»Kaffee bitte, das wäre reizend«, antwortete er. Die Frau wirkte verschüchtert, und es würde sie sicher beruhigen, wenn sie etwas
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