Todesangst
Schule an. Sie verlangte dort den Aufenthaltsraum der unter Zehnjährigen und unterhielt sich, nachdem man sie verbunden hatte, ein Weilchen über den Zustand ihres Sohnes. Nachdem sie aufgelegt hatte, berichtete sie ihrem Besucher: »Man sagte mir, er sei so beieinander, wie man das erwarten könne. Das einzig Auffällige sei eine Arthritis, die man kürzlich bei ihm festgestellt hätte.«
»Ist er denn schon lange dort?«
»Seit Alvin in die Dienste von GHP trat. Daß er Alvin junior in der Hartford-Schule unterbringen konnte, trug auch zu seiner Entscheidung bei, für GHP tätig zu werden.«
»Und Ihr zweiter Junge? Sie sagten, es gehe ihm gut?«
»Dem könnte es gar nicht besser gehen«, antwortete die Frau voller Stolz. »Der ist jetzt in der dritten Klasse, und die sagen dort, er sei einer der besten Schüler.«
»Das freut mich«, sagte Dr. Howard und dachte an die Nacht zurück, in der Hayes gestorben war. Dr. Alvin Hayes hatte ihm erzählt, jemand versuche, ihn und seinen Sohn umzubringen. Für ihn sei es vielleicht schon zu spät - aber noch nicht für seinen Sohn. Was um Himmels willen konnte er damit nur gemeint haben? Dr. Howard hatte angenommen, einer von Hayes’ Söhnen sei körperlich krank, aber das war wohl nicht der Fall.
»Noch etwas Kaffee?« fragte Louise Hayes.
»Nein, vielen Dank«, antwortete er. »Vielen Dank für den Kaffee. Und wenn ich in Boston irgend etwas für Sie tun kann - zum Beispiel gelegentlich mal nach Alvin junior sehen -, dann scheuen Sie sich bitte nicht, mir das zu sagen. Zum Zeitpunkt seines Todes war Alvin übrigens dabei, eine Firma zu gründen. Ihre gemeinsamen Kinder sollten Anteile daran haben. Wissen Sie irgend etwas darüber?«
»Nicht das geringste.«
»Nun ja«, seufzte Jason Howard. »Das hatte ich Sie unbedingt noch fragen wollen. Und nochmals vielen Dank für den Kaffee.« Er erhob sich, und das kleine Mädchen verbarg seinen Kopf im Schoß der Mutter.
»Ich hoffe wenigstens, daß Alvin nicht leiden mußte«, sagte sie.
»Nein«, log der Arzt; dabei konnte er den furchtbaren Blick der Todesangst seines Kollegen wohl niemals vergessen.
Sie standen schon unter der Tür, als die Frau sagte: »Ach, jetzt hätte ich fast etwas vergessen. Einige Tage vor Alvins Tod ist jemand hier eingebrochen. Glücklicherweise war niemand von uns da.«
»Ist irgend etwas weggekommen?« fragte der Arzt und überlegte sich, ob wohl die Gene Incorporated etwas damit zu tun haben könnte.
»Nein«, antwortete die Frau. »Die werden wohl auch das übliche Durcheinander bemerkt und sich getrollt haben. Aber man scheint jedenfalls alles durchsucht zu haben - sogar die Bücherborde der Kinder.«
Als Jason Howard wieder aus Leonia hinausfuhr und zurück zur George-Washington-Brücke, dachte er über sein Gespräch mit Louise Hayes nach. Eigentlich hätte er stärker enttäuscht sein müssen, als es tatsächlich der Fall war. Denn schließlich hatte er nichts erfahren, was diese Reise gerechtfertigt hätte. Aber er wurde sich bewußt, daß er nicht nur gekommen war, um etwas zu erfahren - er hatte auch die Exfrau von Alvin Hayes kennenlernen wollen. Da ihm seine eigene Frau durch einen solch harten Schicksalsschlag entrissen worden war, hatte er nie verstehen können, warum Hayes sich freiwillig von seiner Frau getrennt hatte. Aber Dr. Howard hatte sich auch nie mit dem Problem eines zurückgebliebenen Kindes herumschlagen müssen.
Jason Howard erwischte noch den Städteflug zurück nach Boston um zwei. Im Flugzeug versuchte er zu lesen, aber er konnte sich nicht konzentrieren. Er begann sich Sorgen darüber zu machen, ob Carol Donner tatsächlich am Flughafen von Boston sein würde - oder, was ihn noch mehr ängstigte, ob sie dort wohl in Begleitung von Bruno DeMarco auftauchen würde.
Ausgerechnet hatte die Maschine auch noch Verspätung. Sie sollte um 14.40 Uhr in Boston landen, aber hob erst um halb drei auf dem La-Guardia-Flughafen ab. Als er endlich in Boston aussteigen konnte, war es bereits Viertel nach drei. Er holte eiligst sein Gepäck aus dem Schließfach und rannte vom Terminal der Eastern Airlines zu dem der United Airlines hinüber.
Dort stand eine lange Schlange vor dem Schalter, und Dr. Howard fragte sich, wieso denn die Angestellten so lange brauchten, um die Leute abzufertigen. Nun war es schon zwanzig Minuten vor vier - und von Carol Donner war nichts zu sehen.
Endlich war Dr. Howard an der Reihe. Er schob seine Kreditkarte durch den Schalter und
Weitere Kostenlose Bücher