Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Todesblueten

Todesblueten

Titel: Todesblueten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Rylance
Vom Netzwerk:
Aufgeregtes Murmeln erklang um mich herum und wurde immer lauter. Sensationslüstern. Geschockt. Fasziniert.
Nicht anfassen . . . das arme Ding . . . wie furchtbar . . . wie lange . . . bestimmt ertrunken . . . diese jungen Leute sind aber auch . . .
Irgendjemand schoss offenbar ein Foto, denn gleich darauf erklangen empörte Rufe. »Hören Sie auf zu fotografieren!«, »Das ist doch pietätlos!«
    Eine energische Frauenstimme rief: »Die Polizei ist unterwegs!« Die Menge verstummte einen Moment lang, nur um anschließend die Diskussion lauter und erregter wieder aufflammen zu lassen.
    Melanie tätschelte mechanisch meine Hand. Ihr Gesicht war fast so weiß wie die Haut des Mädchens im Wasser. »Oh Mann«, flüsterte sie immer wieder. »Oh Mann!«
    Ich griff zitternd nach irgendeinem Wasserglas von einem der Tische. Alex war genau in meinemBlickfeld. Er biss sich auf die Unterlippe und rieb hektisch die Hände an seiner Jeans.
    David sagte leise etwas zu ihm und Alex hörte auf zu reiben. Dann nickte er.
    »Das ist das Mädchen von David«, sagte ich zu Melanie, ohne die beiden Jungs aus den Augen zu lassen.
    »Was?«
    »Das Mädchen, mit dem er gestern geredet hat. Ich hab sie dir doch gezeigt.«
    »Gestern? Wann? Wieso David?« Melanie sah mich verwirrt an.
    »Gestern, am Café!« Meine Stimme wurde laut und schrill, ich konnte gar nichts dagegen tun. Ein Mann drehte sich um.
    David und Alex flüsterten jetzt miteinander.
    »Ich habe sie nicht zusammen gesehen. Bist du sicher?«
    »Er hat mit ihr geredet. Er kennt sie, ich schwöre es dir! Die ist schon mit uns hier angekommen!«
    »Mit uns hier angekommen? Sie hat hier Urlaub gemacht?« Melanie kniff die Augen zusammen. Ratlos. Sie kapierte nicht, worauf ich hinauswollte.
    »Was weiß ich, was sie hier gemacht hat. Aber David kennt sie! Und jedes Mal, wenn ich ihn nach ihr gefragt habe, hat er es abgestritten, sie zu kennen!«
    »Aber Clara, vielleicht kennt er sie wirklich nicht. Sonst würde er das doch jetzt der Polizei sagen, oder nicht?«
    Gerade erschienen einige offiziell aussehende Leute und schoben sich durch die gaffende Menge.
    »Vielleicht«, sagte ich lahm. Natürlich kannte David die Blonde! »Aber er hat mit ihr geredet.«
    »Vielleicht hat sie ihn nur nach dem Weg gefragt?«
    Ich schüttelte trotzig den Kopf. Plötzlich kam mir ein Gedanke. Vielleicht hatte David ja
Gründe
, warum er abstritt, dass er das Mädchen kannte? Gekannt hatte. Ich schüttelte mich leicht. Den Anblick würde ich mein Leben lang nicht vergessen. Der verdrehte Fuß im rosa Turnschuh, die Haut darüber so geschwollen, so glasig, die . . .
    »Zurücktreten, bitte zurücktreten!« In diesem Moment wurden wir mit der Menge auf die Straße hinausgeschoben, wo ein uniformierter Mann gerade eine Absperrung anbrachte. Die Schaulustigen diskutierten jetzt die Todesursache.
    »Die war besoffen«, sagte ein Mann neben mir. »Das sind die immer. Besoffen und dann von der Schleuse springen, das kennt man schon.«
    »Erzählen Sie doch nicht so einen Unsinn«, fuhr ihn eine Frau mit Schürze an, die offenbar aus der Küche des Cafés gekommen war. »Vielleicht hat das arme Ding einen Unfall gehabt!«
    »Unfall? Im flachen Wasser?« Der Mann lachte verächtlich. »Auf jeden Fall stammt sie bestimmt nicht von hier.«
    »Glaub ich auch nicht«, mischte sich eine dritte Frau ein, die neugierig von ihrem Souvenirstandherübergekommen war. »Ich kenne die alle in dem Alter von meiner Tochter. Die hab ich hier noch nie gesehen.«
    Wie auch, dachte ich. Das Mädchen war schließlich mit uns aus Berlin gekommen, da war ich mir jetzt ganz sicher. Aber warum? Um mir den Stinkefinger zu zeigen? Vielleicht war sie ja verrückt! »Vielleicht hat sie sich umgebracht«, rutschte es mir heraus, noch bevor ich mich bremsen konnte.
    »Im Suff.« Der Mann nickte zustimmend.
    »Oder jemand hat nachgeholfen.« Die Frau vom Souvenirstand sah uns vielsagend an.
    »Was soll denn das heißen?« Die Küchenfrau aus dem Café riss erschrocken die Augen auf.
    »Na, was wohl. Waren doch damals alle dagegen, als die das Gefängnis hierher in die Nähe verlegt haben. Meine Cousine hat dort bis letzten Sommer gearbeitet. Da brechen doch immer mal welche aus.«
    »Kostet alles den Steuerzahler, diese Kriminellen«, sagte der Mann.
    »Nun machen Sie hier nicht die Pferde scheu!« Die Frau mit der Schürze winkte ab.
    Melanie warf mir einen Blick zu. »Komm«, sie zupfte mich am Ärmel. »Ich will hier nicht

Weitere Kostenlose Bücher