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Todesblueten

Todesblueten

Titel: Todesblueten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Rylance
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unvermittelt. »Ja, ich halte dich für blöd. Jetzt weißt du's. Mit dir macht man sich ja total zum Affen!«
    Einen Moment lang blieb alles still, dann klatschte es auf einmal. Es folgte ein verblüffter Aufschrei, dann ging die Tür mit einem Ruck auf. Melanie stand vor mir, das Gesicht wutverzerrt, ihre Wange nass und rotfleckig. »Der ist ja gemeingefährlich«, presste sie heraus. In ihren Augen standen Tränen. »Du hast mich das letzte Mal angefasst«, fauchte sie Alex an, der hinter ihr stand, den Kopf kampfeslustig vorgeschoben. »Ich will, dass ihr abhaut, alle beide. David kannst du gleich mitnehmen. Mit euch bleibe ich keine Sekunde länger hier!«
    »Mellie«, stotterte ich bestürzt. »Was ist denn los?«
    »Was los ist? Ich lasse mich nicht schlagen, das ist los!«
    »Reg dich ab«, sagte Alex. »Du legst es doch drauf an!«
    Ich konnte nicht glauben, was ich da hörte. Tickten die beiden Jungs noch ganz richtig? David, derin aller Seelenruhe dabeistand, als ob er das alles im Kino verfolgte, und Alex, der nicht mal was dabei zu finden schien, dass er gerade meiner besten Freundin eine geknallt hatte.
Weil sie es drauf anlegte.
    »Ich will auch, dass ihr geht«, sagte ich. »Ihr seid hier nur Gäste. Das ist mein Hausboot.«
    »Wir gehen aber nicht. Und das ist nicht dein Kahn, das hast du uns selbst erzählt«, sagte Alex lässig. »Und wollt ihr wirklich alleine hierbleiben, wenn da drüben Freddy Krueger sein Zelt aufgeschlagen hat? Was willst du machen, wenn der noch mal kommt, Clara, hm? Superman Leon holen? Deine Mami anrufen?« Er lachte und schwankte dabei. »Und überhaupt   – glaubt ihr ernsthaft, dass wir jetzt mitten in der Nacht hier durch die Kante paddeln?«
    »Wenn die nicht gehen, dann gehe ich«, sagte Melanie. Ihre Stimme klang, als ob man mit einer Nadel über Glas kratzte. Ich hatte sie noch nie so wütend erlebt.
    »Quatsch«, sagte ich erschrocken. »Du bleibst hier!«
    »Ich bleibe nicht hier!« Sie stampfte an mir vorbei und hielt sich kurz an meinem Arm fest. Ich merkte erst jetzt, dass sie auch ziemlich betrunken war. Hatte sie die ganze Zeit mit Leon getrunken?
    »Hört doch auf mit dem Scheiß«, sagte David, an niemand Bestimmtes gerichtet.
    »Lass sie. Geht sie eben zu
Leon
.« Alex äffte bei dem letzten Wort Melanies flirtenden Tonfall nach.
    Melanie antwortete nicht, sondern stürmte auf und davon, in die Dunkelheit hinaus.
    »Mellie!«, rief ich erschrocken. »Komm zurück! Du pennst bei mir und morgen fahren die beiden ab. Stimmt's?«, wandte ich mich Hilfe suchend an David. Wenigstens war der noch halbwegs nüchtern. Er schwieg. Wartete ab.
    »Melanie!« Alex wankte hin und her. »Du kannst mich mal, du blöde Kuh!« Er sah mich aus blutunterlaufenen Augen an. »Und du hast mir gar nichts zu sagen. Ich bleibe hier, so lange ich will. Und jetzt will ich hierbleiben.« Er murmelte noch etwas Undeutliches und versuchte, sich eine Zigarette anzuzünden, die ihm aus den Fingern rutschte und runterfiel. Er bückte sich danach und stieß mit dem Kopf an das alberne hölzerne Steuerrad, das an der Vorderseite unseres Bootes festgemacht war. »Blöde Kuh«, sagte er noch einmal. Er kam ohne die Zigarette wieder hoch, riss die Tür auf und stolperte hinein.
    »Wie hältst du das aus?«, fragte ich David empört. »Und wieso sagst du nichts? Dein Freund schlägt also Mädchen, na toll. Und weißt du was? Du bist auch nicht viel besser. Stehst nur da und guckst zu.«
    »Lass mich gefälligst in Ruhe, das geht mich nichts an«, sagte David. »Wenn sich seine Tussis das gefallen lassen, ist das ihr Problem. Es ist ja nicht das erste Mal, dass er so ausflippt. Er teilt halt nicht gern.«
    »Nicht das erste Mal«, wiederholte ich fassungslos. Kalter Schweiß klebte mir an der Haut, von der Hitzedes Tages, dem kühlen Abendwind und von Davids letzter Bemerkung. Ich konnte sein Gesicht nicht richtig im Dunkeln erkennen. Was wussten wir eigentlich von diesen beiden Typen? Noch vor vier Tagen am Bahnhof hatte ich geglaubt, dass David ein ganz normaler Teenager war. Selbst von Alex, dem Primaten mit Gehirntod, hatte ich nicht allzu viel Schreckliches erwartet. Und jetzt entpuppte der sich als gewalttätig und jähzornig. Was mochte er in der Vergangenheit alles schon angestellt haben? Und David mit diesem undurchdringlichen Pokerface, der mich behandelte wie eine Idiotin, obwohl er doch definitiv etwas mit dem toten Mädchen zu tun gehabt hatte. Dessen war ich mir inzwischen

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