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Todesblueten

Todesblueten

Titel: Todesblueten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Rylance
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sicher.
    »Du suchst jetzt sofort Mellie«, sagte ich gefährlich leise. »Du bist der Einzige, der das kann. Alex schert sich einen Dreck um sie und ich kann nicht mit meinem Fuß da draußen durch die Nacht stolpern.«
    David machte ein unwilliges Geräusch, setzte sich aber in Bewegung. Ich stieß die Luft aus und hielt mich an dem Steuerrad fest, weil meine Beine so zitterten.
    »Melanie«, hörte ich ihn rufen. »Wo bist du?« Und dann, etwas weiter weg: »Jetzt komm zurück, willst du denn die ganze Nacht im Gestrüpp hocken?«
    »Hau ab«, hörte ich Melanie sagen. Sie war gar nicht so weit weg und klang, als ob sie weinte. Wollte sie die Nacht im Wald verbringen?
    »Clara will, dass du zurückkommst«, sagte David jetzt.
    »Mellie, nun mach doch keinen Mist«, rief ich. Ich erinnerte mich plötzlich an unseren Faschingsball im vorigen Februar. Da hatte Melanie auch ziemlich einen sitzen gehabt und mit der Sturheit der Betrunkenen darauf bestanden, barfuß vor der Schule durch den Schnee zu laufen. Ich hoffte nur, dass ihr heute Nacht nicht etwas ähnlich Verrücktes einfallen würde.
    David kam wieder. »Sie will da sitzen bleiben«, sagte er schulterzuckend. »Ich hau mich in die Koje. Bei Alex«, sagte er nach einem kurzen Seitenblick in Melanies Richtung.
    »Gut«, krächzte ich. »Ich warte hier auf Mellie. Und ihr verschwindet morgen, versprichst du mir das?«
    »Vielleicht.« Da war etwas Lauerndes in seinem Blick.
    »Ihr verschwindet morgen.« Meine Stimme drohte komplett zu versagen.
    »Wir gehen, wenn alles erledigt ist.« Er drehte sich um und ging rein.
    Wenn alles erledigt ist?

18.
    »Mach dir keine Sorgen, Clara, ich komme bald. Geh ruhig schon rein. Ich will das Arschloch jetzt weder sehen noch hören. Ich will alleine sein.«
    »Okay. Ich bleibe wach, bis du kommst.« Mit diesen Worten hatte ich mich ins Boot begeben und hingelegt, wobei ich die Tür offen ließ. Das bedeutete zwar, dass sich eine ganze Mückenkolonie häuslich bei mir einrichtete und um meine Taschenlampe herumschwirrte, aber ich tat es für Melanie. Doch sosehr ich mich auch bemüht hatte, wach zu bleiben, irgendwann war ich eingeschlafen. Im Halbschlaf hatte ich mitbekommen, dass Melanie hereingekommen war und sich in Davids Schlafsack gelegt hatte. Ungefähr um vier Uhr war ich kurz wach geworden, da lag sie unten auf dem Boden und schlief. Sie sah im Schlaf aus wie ein kleines Mädchen. Eigentlich musste ich mal, aber um zur Toilette zu gelangen, hätte ich durch das Schlafzimmer gehen müssen, in dem jetzt die beiden Jungs lagen, und darauf hatte ich keine Lust. Noch weniger Lust hatte ich allerdings, draußen im Dunkeln herumzustolpern. Ich schlief wieder ein. Träumte etwas Verworrenes und Grusliges, irgendein dunkles, gesichtslosesWesen stand über mir und flüsterte immer wieder meinen Namen. Mit einem Ruck wachte ich auf und sah blinzelnd auf meine Uhr. Es war halb neun. Melanies Schlafsack war leer. War sie etwa wieder zu Alex gekrochen? Das konnte ich mir nicht vorstellen. Ich sprang auf und verzog schmerzvoll das Gesicht. Ich war an meine Zehe gestoßen. Beim nächsten Versuch hielt ich mich am Sofa fest, um nicht voll auftreten zu müssen. Jetzt ging es. Wenn ich vorsichtig lief, tat es auch nicht mehr weh. Ich lauschte. Die Tür zu dem kleinen Schlafzimmer war nur angelehnt, leises Schnarchen kam von dort. Ich schob sie ein Stück weiter auf und sah hinein. Da lagen nur David und Alex. Es roch wie in einer Brauerei. Das Mini-Bad war auch leer, da war Melanie jedenfalls nicht.
    »Mellie?« Ich humpelte raus. Der Morgen war wunderbar frisch und klar. Ein Streifen Sonnenlicht tanzte genau vor mir auf dem Wasser, Vögel zwitscherten, in der Ferne hämmerte wieder der Specht. War sie an ihren komischen Platz von gestern Abend zurückgekehrt? »Melanie«, rief ich erneut, diesmal lauter. Keine Antwort. Eine Ente flatterte kurz auf dem See hoch und im ersten Moment nahm ich an, dass Melanie draußen eine Runde schwamm, doch da war niemand. Ich beugte mich trotzdem über den Bootsrand und sah ins Wasser hinunter. »Melanie!«, rief ich ein drittes Mal, jetzt ziemlich ungeduldig. Wo steckte sie nur? »Wo bist du? Ich brauch dich mal schnell.« Als Antwort erklang nur erneut das Klopfen des Spechtes.Wie seltsam. Melanie war weiß Gott kein Frühaufsteher, von der albernen Bade-Episode gestern mal abgesehen. Ich ging wieder hinein und sah mich um. Der Schlafsack war völlig leer, nicht mal ihre Sweatshirtjacke von gestern

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