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Todesblueten

Todesblueten

Titel: Todesblueten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Rylance
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lag dort. Ich sah auf den Boden. Irgendwas war anders als gestern. Aber was? Ich fixierte den dreckigen Fußboden und runzelte die Stirn. Meine blauen Sneakers standen noch genauso dort wie gestern. In die kam ich momentan nicht rein, wegen meines Verbandes. Daneben Davids schwarze Turnschuhe, die ich gleich am ersten Abend so weit wie möglich in die Nähe des Ausgangs geschoben hatte, aus offensichtlichen Gründen. Und gestern hatten da noch Melanies Flip Flops gelegen, jetzt fiel es mir wieder ein. Sie waren weg. Aber gestern hatte sie ein paarmal ihre Clogs angehabt, da war ich mir ganz sicher. Die waren auch nicht da. Zwei Paar Schuhe würde sie ja wohl kaum tragen. Ich riss die Tür zum Schlafzimmer auf, jetzt ohne Rücksicht auf die beiden, die irgendwas brummten und sich die Kissen über den Kopf zogen. Melanies Rucksack . . . Er war auch weg! Ich stieg auf das quietschende Bett, stieß wieder an meine Zehe und fluchte.
    »Was 'n los?« David richtete sich verschlafen auf.
    Ich fegte mit der Hand einen Haufen Klamotten zur Seite, die auf dem Regal über dem Bett lagen. Alles von Alex. Nichts von Melanie.
    »Hey? Hallo?« David schnipste mir ans Bein.
    »Melanie ist weg.«
    Er stöhnte. »Deshalb machst du hier so einen Krach?«
    Ich stieg vom Bett und sah in das kleine Bad. Ihre lila Kulturtasche war auch nicht mehr da.
    »Sie ist einfach abgehauen. Allein!«
    »Was? Sie ist allein weggerudert? Echt?«
    Ich starrte David an. Was hatte er da gerade gesagt? Das Ruderboot . . . Ich lief wieder hinaus. Beide Ruderboote lagen ordentlich angebunden am Steg. Natürlich. Nie im Leben wäre Melanie allein davongepaddelt. Das hätte sie gar nicht geschafft, sie hatte überhaupt keine Kondition, das hatte ich gemerkt, als wir das einzige Mal zusammen gepaddelt waren. Deswegen wollte sie auch die ganze Zeit nur mit Alex fahren.
    Aber ohne Boot . . . Wo zum Teufel war sie dann? Ein Geruch wehte zu mir herüber. Frisch gebrühter Kaffee. Von Leons Boot. War sie etwa dort? Wie auf Befehl trat Leon in diesem Moment auf seine kleine Veranda hinaus, eine Tasse in der Hand. Er pustete in das dampfende Getränk und las etwas auf seinem Handy.
    »Leon!«, rief ich aufgeregt.
    Er drehte sich um und winkte mir zu. »Guten Morgen! Na, schon wach? Du packst wohl auch schon?«
    Was? Was meinte er? »Hast du Melanie gesehen?«, rief ich.
    Er nickte und ich atmete erleichtert auf. Sie war bei ihm. Melanie war tatsächlich zu Leon gelaufen,um Alex eins auszuwischen. Es war nicht zu fassen. Ich lachte, aber bei Leons nächsten Worten blieb mir das Lachen im Hals stecken.
    »Klar, die ist ungefähr vor einer Stunde den Pfad da lang. Mit ihrem Rucksack auf dem Rücken. Bisschen hab ich mich ja gewundert, dass sie schon so zeitig unterwegs ist, aber . . .«
    »Wie?«, fragte ich und humpelte über unseren Steg, kletterte runter und lief näher zu Leon. »Die ist da langgelaufen? Was hat sie denn gesagt?«
    Leon sah mich verwirrt an. Er kam jetzt auch von seinem Hausboot herunter. »Gar nichts hat sie gesagt. Ich habe ja gar nicht mit ihr geredet. Ich hab nur ihren Rücken gesehen, als ich das Fenster zugemacht habe, weil diese scheiß Vögel so laut waren. Da ist sie gerade von eurem Boot weg.«
    »Warum ist sie denn da langgelaufen?« Ich schüttelte ungläubig den Kopf. Was sollte das? War Melanie total übergeschnappt?
    Leon warf mir einen merkwürdigen Blick zu, als ob ich diejenige war, die sich irgendwie nicht normal benahm. »Na, um zum Wasserbus zu laufen, warum denn sonst?«
    Natürlich. Auf das Naheliegendste kam man nie selbst. »Danke«, sagte ich zu Leon, drehte mich um und biss mir auf die Lippe. Wie konnte Melanie mir das antun?
Ach Clara, ich lasse dich nicht mehr allein
. . . Von wegen. Wie konnte sie mich mit diesem Kotzbrocken Alex allein lassen, der jetzt garantiert erstrecht nicht abhauen würde? Warum auch? Hier ließ sich doch prima saufen und abhängen, ich lieferte das Quartier, Leon den Alkohol und David spielte so eine Art stummen Diener. David. Der war meine letzte Rettung. Ich stampfte auf unseren Steg, unter dem die unglückselige Tasche wahrscheinlich immer noch versteckt war, jedenfalls hatte ich keine Ahnung, wo sie sonst sein sollte, aber die musste warten. Ich würde der Polizei einen anonymen Tipp geben, sobald das hier alles vorbei war.
    »David«, rief ich laut.
    Er kam raus, in knielangen Jeans und einem dunkelblauen T-Shirt , das ich bislang noch nicht an ihm gesehen hatte. »Und?«, sagte er. »Ist

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