Todesbote
das Band hatte ich eben erst vom Zellophan befreit. Ich drückte die Aufnahmetaste, doch als der Rekorder auf dem Tisch leise zu surren begann, überraschte mich Barbara McDaniels.
Es war sie, die Fragen stellte.
23
Barbara stützte ihr Kinn auf ihrer Hand ab. »Was ist Ihnen bei der Polizei von Portland passiert?«, fragte sie. »Und bitte wiederholen Sie nicht, was im Klappentext Ihrer Bücher steht. Das ist doch nur PR.«
Barbara machte mir durch ihre Entschlossenheit klar, dass sie keinen Grund hatte, meine Fragen zu beantworten, wenn ich ihre nicht beantwortete. Dagegen wollte ich mich nicht sträuben, weil sie ein Recht hatte, mich zu überprüfen, und ich wollte, dass die McDaniels mir vertrauten.
Ich musste über Barbaras direkten Verhörstil lächeln, doch die Geschichte selbst, die zu erzählen sie mich bat, hatte nichts Erfreuliches. Sobald ich mich auf den Ort und die Zeit von damals konzentrierte, überrollten mich die Erinnerungen, die weder angenehm noch rühmlich waren.
Während die noch immer lebhaften Bilder in meinem Kopf aufflackerten, erzählte ich den McDaniels über einen tödlichen Autounfall, der sich vor vielen Jahren ereignet hatte. Mein Partner, Dennis Carbone, und ich waren in der Nähe gewesen und an die Unfallstelle gefahren.
»Wir trafen an der Unfallstelle eine halbe Stunde vor Einbruch der Nacht ein. Es war noch dämmerig, und es nieselte, doch das Licht reichte, um zu erkennen, dass ein Fahrzeug von der StraÃe abgekommen und wie ein riesiger, auÃer Kontrolle geratener Ball von einem Baum zum anderen geworfen worden war.
Ich forderte per Funk Hilfe an. Dann blieb ich da, um
den Zeugen zu vernehmen, der am Steuer des anderen Fahrzeugs gesessen hatte. Mein Partner ging zum Unfallwagen, um zu sehen, ob es Ãberlebende gab.«
Ich erzählte den McDaniels, der Zeuge sei mit seinem Wagen auf der StraÃe gefahren, als auf seiner Spur ein schwarzer Toyota-Pick-up auf ihn zugerast kam. Er habe ausweichen wollen, der Toyota aber auch. Der Zeuge habe bestürzt beschrieben, wie der Pick-up bei hoher Geschwindigkeit von der StraÃe abgekommen und er selbst auf die Bremse getreten war. Ich konnte immer noch die hundert Meter lange Bremsspur sehen und riechen.
»Die Rettungsfahrzeuge trafen ein«, fuhr ich fort. »Die Sanitäter zogen die Leiche aus dem Pick-up und sagten, der Fahrer sei durch den Aufprall auf eine Fichte getötet worden, Beifahrer habe es keine gegeben.
Als der Tote fortgebracht wurde, sah ich mich nach meinem Partner um. Er kauerte ein paar Meter abseits der StraÃe, als ich ihn dabei erwischte, wie er mir einen verstohlenen Blick zuwarf, als versuchte er, bei irgendetwas nicht gesehen zu werden.«
Mädchenlachen ertönte hinter mir â eine Braut, umringt von ihren Brautjungfern, marschierte durch die Bar zur Halle. Die hübsche Blonde war etwas über zwanzig. Sie verbrachte offenbar gerade den glücklichsten Tag ihres Lebens.
Barbara drehte sich zur Brautgesellschaft, bevor sie wieder mich anblickte. Jeder mit Augen im Kopf konnte sehen, was sie fühlte. Und hoffte.
»Weiter, Ben«, forderte sie mich auf. »Sie haben von Ihrem Partner mit dem schuldbewussten Blick geredet.«
Ich nickte und erzählte, ich hätte mich von meinem Partner abgewendet, weil mich jemand gerufen habe. Als ich
mich wieder zu ihm hingedreht habe, habe er gerade den Kofferraum unseres Wagens abgeschlossen.
»Ich habe nicht gefragt, was er tat, weil ich bereits an das dachte, was noch zu tun war. Wir mussten Berichte verfassen und so weiter. Wir mussten den Toten identifizieren. Ich habe alles getan, was notwendig war, Barbara. Ich glaube, es ist ziemlich normal, Dinge auszublenden, die wir nicht sehen wollen. Ich hätte meinen Partner genau in dem Moment auf die Sache ansprechen sollen. Aber ich habe es nicht getan. Und so veränderte dieser verstohlene Moment mein Leben.«
24
Eine Kellnerin trat an unseren Tisch. Ich war froh, noch etwas bestellen zu können, weil meine Kehle trocken war und ich eine Pause brauchte. Ich erzählte diese Geschichte nicht zum ersten Mal, aber es fällt einem nie leicht, mit der Schande fertig zu werden.
Besonders, wenn man sie nicht verdient hat.
»Ich weiÃ, wie schwer das ist«, kam mir Levon entgegen. »Aber wir sind Ihnen dankbar, dass Sie von sich erzählen. Es ist wichtig für uns, das zu hören.«
»Aber das
Weitere Kostenlose Bücher